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Björk-Ausstellung in New York: Der Kaiserin alte Kleider

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Das MoMA in New York vergibt mit einer gedankenlos gestalteten Schau die Chance, die stilistische Bedeutung der isländischen Musikerin zu ergründen.

Ist es wirklich schon 22 Jahre her, dass Björk auf der Weltbühne der Popmusik erschienen ist?

Wobei „erscheinen“ nicht einmal ansatzweise zu erfassen vermag, was der Beginn der Solokarriere dieser im Jahr 1965 in Reykjavik geborenen Tochter eines Gewerkschafters und einer Umweltaktivistin bedeutete. Björk Gudmundsdóttir schuf mit ihren seither acht Alben einen Kosmos akustischer Grenzüberschreitungen. Sie verknüpfte Dance-Beats mit der minimalistischen Strenge von Philipp Glass, nordische Volksmusik mit bollywoodesken Streichern, das Stakkato eines Boleros mit dem elektrischen Puls aus dem Synthesizer. „Als Karlheinz die Elektrizität in Klang umwandelte, zündete er eine Sonne, die noch immer brennt und für lange Zeit glühen wird“, würdigte sie im Jahr 2008 im „Guardian“ Karlheinz Stockhausen. Björks Musik ist tanzbar, sie wühlt die Seele auf und bringt zum Nachdenken. Im Reich des zeitgenössischen Pop ist sie Kaiserin.

Und dann noch ihre Videos! Björk, ausgelassen auf einem Lastwagen ravend, im Herzen von Manhattan („Big Time Sensuality“). Björk, als Comicfigur im Betty-Boop-Stil mit einem Pandämonium grotesker Verehrer flirtend („I Miss You“). Björk, während des Singens sich langsam in einen digitalen Eisbären verwandelnd („Hunter“). Oder gleichsam als Faden, der sich selbst entwirrt („Unravel“). Björk ist stets vorn dabei, wo Bild- und Klangkunst sich in neue Gefilde wagen, und sie lockt das Massenpublikum mit Geist, Charme und Witz aus seiner Komfortzone.

Insofern ist es traurig, wie leichtfertig das Museum of Modern Art in New York die Chance vergibt, dieser außergewöhnlichen Künstlerin eine würdige Ausstellung zu widmen. Die Schau, die am Sonntag eröffnet und bis 7. Juni läuft (www.moma.org), besteht aus drei Teilen: einem Saal, in dem man Björks beste Musikvideos in einer Endlosschleife anschauen kann; einem finsteren, schlecht gelüfteten Raum, in dem ihr neues, eigens für diese Schau produziertes Lied „Black Lake“ auf zwei Wände projiziert ebenfalls als Video zu betrachten und anzuhören ist; und einer labyrinthhaften Installation namens „Songlines“, die durch Björks Schaffensgeschichte führen soll.

Ein ärgerliches Spektakel

Dieser Teil der Schau ist ein besonderes Ärgernis. Mit einem Audioguide ausgestattet wird der Besucher durch einen akustisch und visuell ebenso überfordernden wie abgeschmackten Irrgarten geschickt. Aus dem Kopfhörer des Audioguides schleimt, von Beats und Fetzen diverser Björk-Songs umrankt, ein Text des isländischen Schriftstellers Sjón mit dem Titel „Triumph of a Heart“, der in der Form eines esoterisch raunenden Kindermärchens den Lebensweg Björks zu erzählen versucht. Diese ominös schnurrende Gebrauchsprosa trieft nicht nur vor Kitsch und Klischees, sie schafft auch kein tieferes Verständnis für die Entwicklung dieser vielseitigen Künstlerin. Dabei gäbe es hier viel zu entdecken. Björk ist klassisch ausgebildet, sie setzt ihre Musik selbst in Noten, wie die in Vitrinen ausgestellten Notizbücher zeigen. Wie baut sie ihre Musik auf? In welchem Verhältnis steht das zu den Videos? Wie arbeitet sie mit Designern? Mit diesen Fragen bleibt man hier allein.

Die unangenehm schmierige Stimme aus dem Kopfhörer mahnt derweilen zum Innehalten, wenn man zu schnell voranschreitet; das macht ein Bluetooth-System des Sponsors Volkswagen möglich. Doch wofür soll man hier innehalten? Um über das Dutzend von Björk-Kostümen zu sinnen, die hier auf Kleiderpuppen so ausgestellt sind, wie man das aus altertümlichen ethnografischen Museen kennt, wo exotische Wilde in Bananenröckchen präsentiert werden? Dafür braucht man höchstens 20, nicht die programmierten 45 Minuten.

Der Verdacht drängt sich auf, dass das MoMA bloß ein billiges Spektakel inszeniert, um ein an gründlicher Befassung mit der Kunst und ihrer Zeit desinteressiertes Publikum zu ergötzen. Ein Publikum, das man noch dazu frustrieren wird: Der Zugang zu „Songlines“ ist aus Platzgründen auf etwa 50 Personen pro halber Stunde begrenzt, die Zeitkarten werden rasch vergriffen sein.
Gern hätte man Björk befragt, doch bis auf knappe Dankesworte, die sie in ein Kostüm gehüllt sprach, das entweder als Kaktus oder als Stalagmitengebilde zu enträtseln war, hielt sie sich bei der Vorschau für die internationalen Medien bedeckt. Die Nachfrage der „Presse“ beim MoMA, wieso man zwar einer Vertreterin des Volkswagenkonzerns ein Podium bot, nicht aber der Künstlerin selbst, blieb unbeantwortet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.03.2015)

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