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Scott Matthew: Traurig? „Meine Musik ist nur melancholisch“

(c) Glitterhouse
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„Es ist nicht normal, ständig glücklich zu sein“, sagt der Sänger Scott Matthew: Das verstünden Europäer viel besser. Wohl auch am 1. Mai beim Donaufestival in Krems.

Das Bild einer Frau, die auf einem Sessel sitzt, in einem dunklen Raum, vorgebeugt, den verletzlichen Nacken den Blicken ausliefernd, ziert das Cover von Scott Matthews neuem, fünftem Album. Es ist die Frau des dänischen Malers Vilhelm Hammershøi, des 1916 verstorbenen Meisters melancholischer Interieurs. Sie trug Dutt. Scott Matthew macht ihr das nun nach. Und wie bei Hammershøi geht es in seiner Kunst meist um düstere Innenansichten.
„Es ist nicht normal, ständig glücklich zu sein, wie es die Amerikaner fordern“, sagt er im Gespräch mit der „Presse“: „Ich bin stolz auf das Dunkle in meiner Wesensart. Die Europäer verstehen mich viel besser.“

Entsprechend vertraut dieser Australier mit Wohnsitz New York seit Beginn seiner Karriere dem deutschen Label Glitterhouse. Das amerikanische Showbusiness mit seinem Fokus auf Konkurrenz unter den Musikern stößt Matthew ab. Er gehört zu jenen, die Ruhe und Einsamkeit brauchen, um etwas in die Welt bringen zu können. Die findet er seit elf Jahren in einem bescheidenen Appartement in Williamsburg.

Romantische Verlorenheit

„Die Ideen fließen bei mir nur sporadisch“, erklärt er, „meist, wenn mich das Leben mit etwas Extremem konfrontiert. Isolation, Trauer, Enttäuschung sind fruchtbare Gefühle. Manchmal auch Freude.“

Strebt er also bewusst prekäre psychische Situationen an? „Nein. Meine Devise lautet: nur nicht zu tief in die eigene Psyche blicken. Ich lebe zum Glück nicht dort, wo meine Lieder angesiedelt sind. Ich kann schon ziemlich happy sein.“ Auf seinem neuen Album „This Here Defeat“ wirkt mit „Bittersweet“ immerhin ein Lied

emütsaufhellend. Die restlichen neun feiern eine romantische Verlorenheit, wie sie im Song „Ruined Heart“ geradezu perfekt formuliert ist: Mit hauchigem Vibrato singt er von einem „life sacrified for something I can't find“. Solches Wissen um Vergeblichkeit lässt sogar Platz für leisen Sarkasmus. Etwa im Titelsong, in dem er – mit seiner wunderbaren, zuweilen effektvoll ins Falsett kippende Stimme – einer kaputten Liebe eine Art Denkmal setzt: „I won't pen a hymn to justify this wasted time, to immortalize this great demise.“ Oder in „Effigy“, wo er sich darüber wundert, dass die Menschen sich so sehr an vergängliche Gefühle klammern.

Er selbst, gesteht er, habe „bislang noch nicht viel erreicht auf den Pfaden der Liebe. Als Opfer fühle ich mich dennoch nicht. Man muss halt die Perspektive wechseln, wenn nichts geht.“ So sehnt er sich im Song „Skyline“ richtiggehend euphorisch nach einer Verschiebung des Horizonts – „Let skylines change!“ – und sucht nach einem Platz, wo er weiter in sich gehen kann. Diese Haltung erinnert an den deutschen Romantiker Novalis, der in konsequenter Hinneigung zur Innerlichkeit letztlich jene Transzendenz fand, die ein „festeres Fußfassen im Unvergänglichen, im Göttlichen in uns“ zuließ.

Zeichen über das eigene Leben hinaus wolle er nicht setzen, sagt er, seine Musik mache er bloß, weil sie heilend für ihn ist. „Als traurig soll sie niemand bezeichnen. Sie ist bloß melancholisch.“

Wichtigster musikalischer Gefolgsmann ist ihm derzeit der deutsche Multiinstrumentalist Jürgen Stark. Er besorgte nicht nur die schlicht-schönen Arrangements, er holt auch Matthew aus seinen zuweilen selbstzerstörerischen Zweifeln. Dafür braucht dieser auch seine Fans – und deren unmittelbare Wertschätzung: „Diese Trennung von Bühne und Publikum behagt mir gar nicht. Das, was an einem Abend gelingt, das schaffen wir doch gemeinsam.“

Beim Donaufestival in Krems (24.–26. 4. u. 30. 4–2. 5.) tritt Scott Matthew am 1. Mai auf. Das Motto ist heuer „Redefining Arts“, zu sehen sind u. a. Alva Noto, Rimini Protokoll, Holden und Reverend Billy & The Stop Shopping Choir.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.04.2015)

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