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Blur-Comeback: Wie sich Britpop treu bleibt

„The Magic Whip“
„The Magic Whip“(C) Warner
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Blur-Sänger Albarn fühlt sich in der Stadt nicht wohl und träumt von der Ferne. Doch auch dort passt ganz und gar nicht alles... Die einst prägende Band des britischen Pop ist ihren alten Themen treu geblieben.

„Ein süßes englisches Sommerprodukt, das Assoziationen von blauem Himmel und grünen Parks weckt – transformiert in ein surrendes Neonschild, wie man es auf einer Straße in Hongkong in dunkler Nacht findet. Das schmelzende Eis verleiht der Szene einen melancholischen Beigeschmack.“

So erklärt Art-Director Tony Hung das CD-Cover, das er für „The Magic Whip“, das neue, großteils in Hongkong aufgenommene Album von Blur, gestaltet hat. Hung, der auch einen Songtext dafür geschrieben hat – „Go Out“, eine hochgradig trübsinnige Betrachtung des Nachtlebens – trifft damit den Geist, das zentrale Thema dieser Band perfekt: Das ohnehin schon schäbige britische Idyll löst sich auf, es bleiben Melancholie und verzweifelter Eskapismus.

„Modern Life Is Rubbish“ und „The Great Escape“ hießen zwei Alben von Blur, das war Mitte der Neunzigerjahre, als Blur eine der zwei führenden Bands des Britpop waren, der von Premier Tony Blair als identitätsstiftendes Exportprodukt gefördert wurde. Während die proletarischen Oasis die verbliebene resp. verblichene Glorie des Empire und seiner Popmusik feierten, besangen die kleinbürgerlichen Blur den Niedergang. Und die Übel des urbanen Lebens, vor dem man bestenfalls aufs Land flüchten kann, wo man dann dem faden TV-Programm ausgeliefert ist...

Zwölf Jahre lang haben Blur nichts veröffentlicht, ihr Sänger, Damon Albarn, hat sich die Zeit u.a. mit der Cartoon-Band Gorillaz, dem feinen Projekt The Good, the Bad & The Queen und einem Soloalbum namens „Everyday Robots“ vertrieben. Nun, nach der von den nationalstolzen britischen Popmedien innig gefeierten Versöhnung mit Gitarrist Graham Coxon, sind Blur wieder da. Und pessimistisch wie eh und je. „What you got?“, beginnt Albarn mit seinem charakteristischen, etwas aufgesetzt wirkenden Cockney-Akzent: „Mass produced in something hot.“ Da hilft das agilste Gitarrenriff nichts – und, unter uns, sehr agil ist es eh nicht –, es geht gleich hinunter in die „Lonesome Road“. Dann zu den neongrünen „New World Towers“, dann ins Stammlokal, wo – erraten!– auch die Einsamkeit herrscht.

Was ja vielleicht gar nicht so schlecht ist. Denn noch mehr genervt ist Albarn, wenn die Menschen in Massen auftreten. „There are too many of us“, singt er zu einem langsamen Marschrhythmus im gleichnamigen Song, „that's plain to see.“ Und alle leben in „tiny houses“ und beten auch noch für ihre Unsterblichkeit! Diese Pose erinnert an Mick Jaggers „Salt of the Earth“, an seine Klage über die grauen Massen, die ihm ach so fremd sind. Das war damals, 1968, die selbstironische Arroganz der neuen Rock-Aristokratie; Albarn liefert sozusagen die sozialdemokratische Variante: Immerhin sagt er „wir“ und nicht „die dort unten“.

Blick aus dem Hotel in Nordkorea

Jedenfalls: Nichts wie weg! Um einen anderen Britpop-Großen, Paul Weller, zu zitieren: Away from the numbers! Albarn, der in den letzten Jahren viel durch die Welt gereist ist und auch einige musikalische Inspirationen als Souvenirs mitgenommen hat, träumt sich exzessiv den Urlaub herbei. In „Pyongyang“, der wehmütigsten Nummer auf diesem wehmütigen Album, findet er sich in Nordkorea wieder und schaut aus dem Hotelfenster. Was sieht er? „The pink light that bathes the great leaders is fading.“

Oder doch in der Nähe bleiben? „I go on a boat on a sunny day, to get out of this town“, erklärt er im von gelangweilten La-la-la-Chören eingeleiteten „Ong Ong“, aber, wie soll es anders sein, er bleibt in der U-Bahn stecken, da hilft nicht einmal das Daumenklavier, das er aus Afrika mitgebracht hat. Auch auf die Weltmusik ist kein Verlass mehr! Und der Eismann spricht Chinesisch. Das Eis schmilzt. Britpop am Ende. Bis zum nächsten Mal.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.04.2015)

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