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Frank Farian: "Halt die Klappe, das ist ein Hit!"

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4227 / Frank FarianCarsten Koall / Visum / picturedesk.com
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Frank Farian, in Miami lebender deutscher Ex-Schlagersänger und Erfolgsproduzent von Boney M. und Milli Vanilli, im Gespräch mit der "Presse am Sonntag".

Was hat Ihr Interesse an Musik ausgelöst?

Frank Farian: 1959 und 1960 habe ich in Luxemburg als Koch in einem Hotel gearbeitet. Eines Tages war draußen ein großes Zelt aufgebaut, aus dem Rock'n'Roll-Musik zu hören war. Ich bin dort hingelaufen, und dann hat es in meinem Kopf regelrecht so etwas wie eine Explosion gegeben. Ein Jahr später hatte ich meine erste eigene Band. 1964 bin ich im Star-Club in Hamburg aufgetreten. Da spielte ich Rock'n'Roll, später coverte ich Otis Redding, Sam Cooke und die Drifters. Plattenlabelboss Monti Lüftner schimpfte mit mir: „Das haben wir tonnenweise, niemand will es. Mach du nur mal schön deutsche Schlagermusik.“ Da ich fast pleite war, nahm ich seinen Rat an.

Schlagersänger – was war das für eine Erfahrung?

In der ZDF-Hitparade von Dieter Thomas Heck war ich immer der ein wenig belächelte Erfolglose. Bis zu „Rocky“, das 1975 über Nacht ein Millionenseller wurde. Den Erfolg konnte ich nicht mehr auskosten, weil ich schon am ersten Boney-M.-Album gearbeitet habe.

Nach welchen Kriterien haben Sie Boney M. zusammengestellt?

Die erste Single von Boney M., „Baby Do You Wanna Bump“, habe ich 1975 solo mit Kopfstimme aufgenommen. Als sie in England in die Soulcharts kam, hat sich die ganze Welt gefragt: Who is Boney M.? Dass das der Schlagerfuzzi Frank Farian war, wollte ich nicht enthüllen. Ich brauchte Leute, die meine Vorstellung von schwarz-weißer Musik richtig darstellen können. Mit Liz Mitchell, die zuvor bei den Les Humphries Singers tätig war, fand ich eine Stimme mit ganz besonderem Timbre.

Wie kam es zum Bandnamen Boney M.?

Boney hab ich aus dem Abspann einer Krimiserie. Irgendwie kombinierte ich den Buchstaben M dazu. Es hat einfach gut geklungen.

Das Erstaunliche an der Euro-Disco-Band Boney M. war, dass sich viele Texte auf politische Ereignisse bezogen. Wie kam das?

Liebeslieder konnte ich mir mit Boney M. einfach nicht vorstellen. Sozialkritische Texte waren mir ein großes Anliegen. Und wenn man dazu tanzen konnte, war es perfekt. Auch „Song of Joy“, das neue Lied, das wir zum 40-Jahre-Jubiläum machten, thematisiert die heutigen religiös motivierten Konflikte.

1979 haben Sie mit „El Lute“ einen spanischen Bankräuber zu einer Art Heiligem stilisiert. Wie kamen Sie auf dieses Thema?

Ich habe über ihn im „Spiegel“ gelesen: Es war eine moderne Robin-Hood-Geschichte. Er hat Banken überfallen, weil er nichts zu essen hatte für seine Familie. Er hat auch andere Bedürftige beschenkt. Das hat mich fasziniert.

Hat das Eleuterio Sánchez Rodriguez, genannt El Lute, auch mitbekommen?

Boney M. und ich haben ihn in Madrid im Gefängnis besucht, um auch ihm eine Platinplatte zu überreichen. Zur Entlassung habe ich ihm 100.000 DM Startgeld geschenkt. Heute ist er übrigens Rechtsanwalt und immer noch ein Freund von mir.

Boney M. haben auch sehr erfolgreich Coverversionen gemacht. Wie fanden Sie „Rivers of Babylon“?

Unsere Mädels kamen aus Jamaika. Da haben wir halt im Fundus geforscht. Aus einem nicht sehr erfolgreichen Original haben wir einen Welthit gemacht. Papst Johannes Paul II. hat das Lied vor einer Million Menschen dirigiert!

Das Cover der Schallplatte „Love For Sale“ war für damalige Zeiten ein wenig gewagt. Wie kam es dazu?

Wir wollten provokant sein. Aber das war nicht so einfach. Sängerin Liz Mitchell war eine fromme Frau. Die ist den ganzen Tag mit der Bibel herumgelaufen. Da musste ein wenig Cognac her.

Wie kam es zum Schwindel mit Rob Pilatus und Fab Morvan, die nur so taten, als wären sie die Sänger von Milli Vanilli?

Das waren Breakdancer. Sie kamen zufällig ins Studio, als ich „Girl You Know It's True“ gerade fertig hatte. Sie suchten Arbeit. Wir dachten, wir könnten sie im Video einsetzen. Rob tat so, als wäre er der Sänger. Ich hatte dann schon meine Zweifel, aber das Team sagte: Halt die Klappe, das ist ein Welthit!

Steckbrief

1941
als Frank Reuther in Kirn geboren. Nach einer Lehre als Koch startet er seine Sängerkarriere unter dem Signet „Frank Farian und seine Schatten“ im Hamburger Star-Club.

1976
Millionenseller als Schlagersänger mit „Rocky“. „Take the Heat off Me“, erstes Album mit Boney M., erreicht Platz zwei in den deutschen Charts.

1977
„Love For Sale“ von Boney M. – ihr erstes Nummer-eins-Album.

Bis 1985 gelingen Farian mit Boney M. zahlreiche Welthits. Von „Daddy Cool“ über „El Lute“, „Rivers of Babylon“ bis zu „Ma Baker“ und „Belfast“.

1988
Welterfolg mit dem Discoduo Milli Vanilli.

2015
feiert Frank Farian das 40-Jahre-Jubiläum von Boney M. mit zwei neuen Songs und der Kompilation „Diamonds“ (Sony Music).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.05.2015)

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