Sophie Hunger: Die Ruhelose

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Die Schweizer Songwriterin Sophie Hunger ist ständig auf Reisen und fühlt sich dabei wie eine Königin. Mit ihrem Album „Supermoon“ kommt sie auch nach Wien.

Sophie Hunger, Schweizer Künstlerin von Welt-
geltung, gastiert mit ihrem formidablen neuen Album „Supermoon“ am 26. Mai im Wiener Konzerthaus. Das Schaufenster sprach mit der bewussten Einzelgängerin über den Mond, Roger Federer und Romy Schneider.

Nach einer sechsjährigen Tour de Force aus Plattenaufnahmen und Tourneen verspürten Sie vor zwei Jahren so eine Leere, dass Sie einige Zeit nichts mit Musik zu tun haben wollten. Klappte das?
Nur bedingt. Aber immerhin habe ich eineinhalb Jahre kein Konzert gegeben. Das war schon sehr gut. Ich wollte irgendwohin, wo ich niemanden kenne. Zunächst lebte ich in San Francisco, dann in Los Angeles, Mexiko und Austin, Texas und New York. Mich interessierte das Gefühl, „die Fremde“ zu sein. Darin bin ich ziemlich gut. Eigentlich ertrage ich mich in diesem Modus am besten.


Wann hat es Sie also wieder zum ersten Mal gejuckt, Musik zu machen?
Schon nach vierzehn Tagen. Da habe ich im Hockey Haven, einer Bar in der Balboa Street in San Francisco, ein paar Punkmusiker kennengelernt. Sie wussten sogar über Punkbands aus den Achtzigerjahren in Zürich Bescheid. Das war erstaunlich. Diese Begeisterung hat mich mitgerissen. Ich bekam wieder Appetit und kaufte mir eine Gitarre.


Ihr fünftes Album heißt „Supermoon“. Fühlen Sie sich zum Trabanten hingezogen?
Überhaupt nicht. Ich habe mich eher über diese überladene Mondsymbolik geärgert. Als Person bin ich ja durchaus antispirituell.


Warum heißt es dennoch „Supermoon“?
Es war von allen Titeln, die ich ersann, der beste. Und es war das erste Lied, das ich fürs neue Album geschrieben hatte. Ich war in diesem Museum im Golden Gate Park in San Francisco, wo man simulierte Erdbeben erleben kann. Dort habe ich aufgeschnappt, dass der Mond eigentlich aus irdischem Material ist. Das gefiel mir. Wir projizieren Sehnsüchte auf den Mond und blicken eigentlich in unser eigenes Antlitz. 


Übernachtungsmäßig entschieden Sie sich für Airbnb, wo Privatunterkünfte vermittelt werden. Was war das für eine Erfahrung?
Ganz unterschiedlich. Mal war es posh, dann wieder total abgefuckt. Zuweilen auch unheimlich. Man ist da bei privaten Leuten zu Hause, die nicht da sind, aber durch herumliegende Gegenstände entschieden haben, was man von ihrem Leben sehen darf. Ich hab mich rasch so gefühlt, wie die jeweilige Wohnung war. Konstant war, dass ich ständig gefroren habe.


Sie sind bekennender Fan des Tennisspielers Roger Federer. Was fasziniert Sie da?
Seine Lust am Spiel. Er ist, obwohl Weltbester in seinem Sport, kein Soldat wie ein Novak Đoković, der kämpft und kämpft. Bei Federer ist der spielerische Ausdruck sehr wichtig. Er trifft zuweilen absurde Entscheidungen. Deshalb ist er für viele Künstler inspirierend. David Foster Wallace hat ja einen interessanten Essay über Federer geschrieben. Der Titel war „Federer as a religious experience“.


Sie singen auch wieder ein Lied auf Deutsch. Es heißt „Die ganze Welt“. Worum geht es darin?
Das war der Versuch, eine obsessive Liebe darzustellen in ihrer ganzen Absurdität und Weltfremdheit. Liebe ist ja eine Art Psychose.

Der australische Songwriter Scott Matthew hat in seinem Song „Ruined Heart“ eine Zeile, die eine gute Beschreibung von Künstlerschaft an sich ist. Sie lautet: „A life sacrified for some-thing I can‘t find.“ Wie finden Sie diese?
Sie ist ein bisschen so, wie wenn man hundert Tage gelebt hat und sich fragt: Warum sollte ich noch einen nächsten Tag leben? Weil man muss, weil man will, weil es das Leben ist. Man muss wieder einen Atemzug machen, einen Schluck trinken, einen Song schreiben. Das Weitermachen ist einfach unsere Natur.

In ihrem Lied „Die ganze Welt“ singen Sie auch über die oft schwer auszuhaltende Parallelität von Grausamkeit und Entzücken. „Ich schau CNN, geköpfte Kurden und einen Weltrekord im Spurten“ heißt es da. Hat sich da etwas verschärft?
Das gab es natürlich zu Shakespeares Zeiten auch schon. Heute hat man ein intensiveres Gefühl dafür, weil man es von den Medien internationalisiert serviert bekommt.


Sie haben diesmal in Brüssel und San Francisco aufgenommen. Sind Sie eine exakte Planerin Ihrer Aufnahmen im Studio?
Mir ist mittlerweile bewusst, dass man Magie nicht planen kann. Seither bin ich mehr als entspannt im Studio. Ich hatte diesmal sehr detaillierte Demoaufnahmen. Die Anmutung von fünf, sechs Liedern war mir noch nicht so klar. Aber dafür hat man einen Produzenten wie John Vandersice. Er machte das sehr gut.


Mit „La Chanson d’Hélène“ haben Sie auch eine Fremdkomposition auf Ihrem Album. Was hat Sie an diesem einst von Romy Schneider gesungenen Lied fasziniert?
Dieses Chanson mochte ich immer schon sehr, sehr gern. Was mich aber aufgeregt hat, waren diese lieblichen Flöten im Hintergrund. Weil ich fast am liebsten auf Französisch singe, aber meine Sprachkenntnisse nicht gut genug fürs Songwriting sind, muss ich mir Lieder suchen. Diesmal ist es „La Chanson d’Hélène“ geworden. Das macht mich froh.


Éric Cantona, der ehemalige Fußballer, der jetzt als Schauspieler arbeitet, war als Ihr Gesangspartner dabei. Wie kam das?
Wir kennen einander schon lang. Er ist ein bisschen so etwas wie ein Fan meiner Kunst und hat einige meiner Songs in seinen Filmen eingesetzt. Ich habe überlegt, wer diese Sätze, die im Original Michel Piccoli spricht, in meiner Aufnahme sprechen könnte. Es musste zärtlich sein, aber nicht weinerlich, selbstsicher, aber nicht machomäßig. Wer kann das? Mir wurde rasch klar, es gibt nur einen – Éric.


Singen Sie in „Queen Drifter“ über die eigene Ruhelosigkeit?
Einerseits ja, aber es leben ja nicht so wenige Menschen so. Viel zu reisen, keinen festen Wohnsitz zu haben ist aber wahrscheinlich für eine Frau noch etwas ungewöhnlich. Ich fühle mich jedenfalls dabei wie eine Königin. Man ist allein, aber nicht einsam.

Tipp

Sophie Hunger und Band am 26. Mai im Wiener Konzerthaus.

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