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Foxygen: Rock 'n' Roll für den Schädel

(c) Foxygen/ Cara robbins
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„Botschafter für Frieden und Magie“ nennt sich das US-Duo Foxygen – und es scheut vor keinem Prog-Rock-Irrwitz zurück. Der „Presse“ erklärte es seine seltsame Welt.

Es ist ganz schön selten geworden, dass sich eine Band über alle Gesetze der Qualitätskontrolle hinwegsetzt und sämtliche ihrer Ideen, auch die zweifelhaften, episch auswalzt. Das kalifornische Duo Foxygen macht das. Auch auf seinem dritten Album „...And Star Power“ inszeniert es sich nicht gerade als leicht zu konsumierende Ware, entzieht sich konsequent der Formatierung. Und das nicht aus Unvermögen. Die beiden haben sowohl großes Talent für die süße Melodie wie für das heftig in die Eingeweide fahrende Rockriff. In 82 chaotischen Minuten verbinden sie rüden Garage-Rock-Gestus mit psychedelischen Effekten, wüsten Krawall mit emotionalen Passagen, die an die Dramatik des Philadelphia Soul denken lassen.

Fast so gut wie das Album „The Beatles“

Besonders ohrenfällig: Foxygen pflegen jene Sorte von ekstatischem Harmoniegesang, die einst die Beatles perfektioniert haben. So wurde ihr neues Album mehrfach mit dem „Weißen Album“ der Beatles verglichen. Das weist der blonde Sänger Sam France im Gespräch mit der „Presse“ mit selbstbewusster Bescheidenheit zurück: „Das Weiße Album ist wahrscheinlich besser.“

Jüngst waren Foxygen mit ihrem euphorischen Song „How Can You Really“ zu Gast bei Talkmaster David Letterman. Dieser war ehrlich begeistert vom Pfeif-mich-nichts-Appeal des für diese Gelegenheit auf neun Musiker aufgestockten Duos.

Vorbilder: Todd Rundgren, Kim Fowley

Während das sorgfältig ausproduzierte letzte Album „We Are the 21st Century Ambassadors of Peace and Magic“ Anklänge an das pfiffige Songwriting von Ray Davies aufgewiesen hat, orientiert sich das aktuelle Opus offensichtlich an den größenwahnsinnigen Aktivitäten von Todd Rundgren. Im Speziellen an dessen Album „A Wizard, a Star“ von 1973. Patti Smith, die bei Erscheinen dieses kruden Meisterwerks noch als Musikjournalistin für das US-Magazin „Creem“ arbeitete, schrieb darüber: „Physical atomic end. Well that's where Todd's record begins. Side one is pure brain rocket. Rock'n'Roll for the skull. Todd Rundgren's season in hell.“ Würde diese Beschreibung auch auf das aktuelle Foxygen-Album passen? „Ich glaube schon“, murmelt France und gesteht, dass er immer davon geträumt hat, vom legendären Kim Fowley produziert zu werden. „Er war so unberechenbar, folgte stets seinen Impulsen, ohne darauf zu achten, was im Moment gerade ,in‘ war. Sein Album ,Outrageous‘ von 1968 war immens wichtig für uns. Wir haben ihm einen Song namens ,Cold Winter/Freedom‘ gewidmet.“ Würde Fowley noch leben, er wäre wohl begeistert, wie ausufernd sich Multiinstrumentalist Jonathan Rado, der zweite Kopf von Foxygen, hier austobt: Über sechs Minuten lang fiepsende Gitarren, Mini-Moog-Geblubber und Stakkatobeats. Am Ende drängt sich eine rätselhafte Radiostimme in die Kakofonie: „The Chinese are on the moon.“ Nun ja, der Schrecken könnte größer sein.

Weil sich die Band auf der Suche nach dem ultimativen Prog-Rock-Sound gern auf Gitarrensynthesizer, Mini-Moog und Mellotron verlässt, stellt sich ein Gefühl der Wohligkeit ein, wie es beim mehrmaligen Fahren mit der Geisterbahn aufkommt. Besonders beim Ohrwurm „Cosmic Vibrations“. Hier führt der wunderschöne Harmoniegesang in liebeskranke Abgründe: „Should I wed or should I take her life?“ fragt sich ein Protagonist, dessen Selbstwertgefühl höher sein könnte. Ziemlich amerikanisch, dass am Ende aller formoffenen Atmosphäre die Liebe wie ein Polizist lauert, der den Renegaten in die Mitte der Gesellschaft bringen will. So passiert es im schwärmerischen „Everyone Needs Love“, zu dessen musikalischen Gelingen Wayne Coyne von den Flaming Lips beigetragen hat. Wenigstens leistet man sich hier am Ende doch einen leisen Zweifel. „We can make it together, we can change the world, it's true, it's probably true.“ Die stärksten Songs dieses nur mühsam als Konzeptalbum getarnten Höllenritts sind jene, in denen die Poesie vage ist. Etwa „Cannibal Holocaust“, in dem Foxygen Mut zur Hasenherzigkeit zeigen: „Take these visions, useless visions.“ Gern nehmen wir sie. Auch wenn sie gleich wie Seifenblasen zerplatzen.

Live in Wien: WUK, 21.Mai, 20 Uhr.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.05.2015)

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