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Russell Mael: „Die Sparks sind gern die Fremden“

(C) FFS/ David Edwards
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Das exzentrische US-Duo Sparks und die ebenso geistreichen Britpopper Franz Ferdinand haben ein Album gemeinsam gemacht. Sparks-Sänger Russell Mael über die Zusammenarbeit, Ironie und Diktatorensöhne.

Künstlerische Freundschaften sind oft schwierig. Gerade wenn man einander so lieb hat wie die schottischen Post-Punker Franz Ferdinand und das kalifornische Glamrock/Disco-Duo The Sparks. Gemeinsam haben sie den ironischen Blick auf die Welt. Bereits 2004 beteuerten FF-Mastermind Alex Kapranos und die Brüder Ron und Russell Mael ihre Bereitschaft zu einer Zusammenarbeit. Elf Jahre später präsentieren sie stolz ihr schlicht „FFS“ betiteltes Gemeinschaftswerk, randvoll mit schlauen Ohrwürmern, die insgesamt mehr nach Sparks als nach Franz Ferdinand klingen. An guten Tagen interpretieren sie „FFS“ als die Initialen der Bands, an schlechten als „For Fuck's Sake“. Dies und mehr erklärte Sparks-Sänger Russell Mael im „Presse“-Gespräch.

Die Presse: Auf Ihrem Album mit Franz Ferdinand ist ein Song namens „Collaborations Don't Work“. Was sagt uns das?

Russell Mael: Das war ganz am Anfang der Zusammenarbeit. Wir dachten, dass dieser Song ideal dafür sei, ihn an Kollegen zu verschicken, die mit uns arbeiten wollen. Als Test, wie weit sie punkto Ironie zu gehen bereit sind. Franz Ferdinand mochten ihn gleich, Kapranos ergänzte ihn sogar mit einer tollen Strophe.

Wie war es für Sie, den Gesang mit Alex Kapranos zu teilen?

Zunächst hegten wir durchaus gewisse Ängste, weil wir ja beide eine gewisse Exzentrik in der Stimmführung pflegen. Wir wollten, dass sich unsere Stimmen so verflechten lassen, dass es organisch klingt. Zu unserer großen Freude tat es das am Ende.

Wie haben Sie denn Ihren operettenhaften Gesangsstil entwickelt?

Der hat sich zwangsläufig ergeben, durch die Art, wie mein Bruder Ron komponiert. Seine flotten Keyboardmotive haben mich immer ein wenig gehetzt...

Was ist denn überhaupt guter Popgesang?

Das exakte Gegenteil dessen, was sich bei Castingshows wie „American Idol“ abspielt! Dort geht es darum, mit krassen Noten zu prahlen, dort triumphiert seelenlose Technik über Persönlichkeit. Was die Sparks zu Beginn inspiriert hat, waren britische Bands wie The Who und The Kinks: Roger Daltrey und Ray Davies sangen durchaus exaltiert, aber ihr Stil war stets getrieben von ihren herausragenden Texten.

Sind Sie immer noch anglophil?

Weniger. Popmusik ist universeller geworden. Natürlich gibt es immer noch Musik mit echt britischem Touch, aber die berührt uns nicht mehr so wie das, was in den Sechzigerjahren mit der „British Invasion“ abging.

In den Siebzigern lebten die Sparks ein paar Jahre lang in London. Wie war das?

Uns gefiel es gut, als Amerikaner in Großbritannien zu leben. Aber auch, dass wir in den USA als britische, manchmal sogar als französische Band rezipiert wurden, hatte seinen Reiz. Die Sparks sind gern die Fremden.

Warum sind die Sparks immer schon in Europa erfolgreicher als in den USA?

Die Mentalität der Europäer war uns immer näher. Aber mit der Zeit hat sich das ein wenig ausgeglichen. Das Internet hat offenbar den amerikanischen Humor verbessert.

Auf dem neuen Album ist ein Lied namens „Dictator's Son“. Stellen Sie sich da jemanden Speziellen vor?

Eigentlich nicht. Über die beschränkten Lebensmöglichkeiten von Diktatorensöhnen nachzusinnen ist für einen Popsong ein lohnendes Thema. Die werden doch alle von ihren Vätern unterdrückt, und das Einzige, was sie anstreben, sind die Freuden des westlichen Lebensstils.

Das klingt nach Kim Jong-nam, dem älteren Bruder des nordkoreanischen Machthabers Kim Jong-un. Er ist Eric-Clapton-Fan und nach Macao emigriert...

Dass Diktatorensöhne Eric Clapton mögen, kommt mir fast logisch vor. Mag schon sein, dass Ron an ihn dachte, als er das Lied schrieb. Man weiß ja, dass die nordkoreanische Nomenklatura nichts lieber tut, als amerikanischen Filme anzuschauen.

Kommt es vor, dass Sie einmal etwas nicht verstehen, was Ihr Bruder schreibt?

Nein. Ich verstehe ihn nur zu gut, schließlich arbeiten wir seit 45 Jahren zusammen.

Er macht es Ihnen aber auch nicht leicht. 2002 mussten Sie „I Married Myself“ singen, jetzt „Save Me From Myself“. Sind das nicht kleine Zumutungen?

Gar nicht. Aber es kann sein, dass es zwischen beiden Liedern einen geheimen Zusammenhang gibt. Der bedauernswerte Held dieses Lieds kann sich nur schlecht seiner Umwelt mitteilen. Schlimmer ist nur, dass auch das Alleinsein ein Horror für ihn ist.

Hatten Sie in den Siebzigerjahren das Gefühl, dass der Popmusik die Ironie fehlt?

Nein. Wir haben nie etwas aus Kalkül gemacht. Ironie um der Ironie willen, das wäre für uns der blanke Horror. Viele unserer Lieder sind tief empfunden. Etwa „Johnny Delusional“. Der Titel mag ein Lächeln provozieren, aber ein bittersüßes. Das Lied erzählt nämlich die Geschichte eines Mannes, der nie in der Lage ist, das zu erreichen, was er anstrebt. Da weiß man dann nicht mehr, ob man lachen oder weinen soll. Das mag ich.

Seit vielen Jahren gibt es das Gerücht, die Sparks und Morrissey würden etwas Gemeinsames wagen. Wird das je passieren?

Keine Ahnung. Er kommt zu allen unserer Shows. Interessiert wären wir jedenfalls!

DIE BEIDEN BANDS

Die Sparks gibt es seit Ende der Sechziger. Ihren ersten Hit hatten sie 1974 mit dem exaltierten „This Town Ain't Big Enough for the Both of Us“. Das zugehörige Album „Kimono My House“ ist noch immer unter den Favoriten von Russell Mael. Von den späteren, von Disco geprägten Alben schätzt er „Number 1 in Heaven“ und „Lil' Beethoven“.

Franz Ferdinand, benannt nach dem Erzherzog, wurden 2001 in Glasgow gegründet. 2004 hatten sie mit „Take Me Out“ ihren ersten Hit.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.06.2015)

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