Pop

Vergnüglicher Musikunterricht in der Staatsoper

Chilly Gonzales
Chilly Gonzales(c) Chilly Gonzales
  • Drucken

Jazzfest Wien: Chilly Gonzales und das Kaiser Quartett triumphierten.

Einst war sie ein verruchter Pornostar, dann die wilde Henne im französischen Avantgarde-Duo Les Rita Mitsouko. Catherine Ringers aktuelle Kombo nennt sich Plaza Francia, Tastentiger Christoph H. Müller und Gitarrist Eduardo Makaroff liefen dafür vom Gotan Project zu ihr über. Ganz dem Schönklang und der Eleganz ergeben, tanzten sie sich in der Staatsoper verzückt durch zuckrige Melodien von „Libertango“ bis „Cada Vez“.

Auf beides verzichtete der Neo-Kölner Pianist Chilly Gonzales. In seidigem Morgenmantel und Kunstleder-Schlapfen schlurfte er heran. Den Habitus des Genies beherrscht er, die hohe Kunst des Witzes sowieso. Von der Gestalt her gemahnt er an Franz Liszt, lieben tut er aber Johannes Brahms. Zum einen, weil der weniger egogetrieben war als Richard Wagner, sein großer Antagonist im „romantic business“. Und schlicht, weil Gonzales Letzteren für ein „asshole“ hält. Die beiden hätten „beef“ gehabt, erklärte er alte Animositäten im Soziolekt des Hip-Hop.

„Advantage Points“ und „Odessa“ berührten wegen Gonzales' manisch-depressivem Anschlag, mit dem formidablen Kaiser Quartett spielte er sich durch die romantische Zuckerbäckerkompositur des aktuellen Opus „Chambers“. Gonzales lobte „Bratschwurst“, den schwarzen Humor der Wiener sowie die Magie des Moll. Die Performance, die sich immer wieder in eine vergnügliche Lecture wandelte, erklärte Pizzicato, Ricochet und Flageolett höchst unschulmeisterlich. Nur der Lichtregisseur bekam eine Abreibung, weil er bloß halbherzig verdunkelte, als Gonzales schwarze Luft forderte. Das deshalb abgebrochene „Armellodie“ wurde dann doch noch als Zugabe gereicht. Alles gut.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.07.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.