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Carlos Santana: Licht, Liebe, Latinrhythmen

July 12 2015 Locarno Switzerland The Mexican American musician Carlos Santana performs on sta
July 12 2015 Locarno Switzerland The Mexican American musician Carlos Santana performs on sta(c) imago/ZUMA Press (imago stock&people)
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Dem Geist von Woodstock treu: Carlos Santana spielte auf der Burg Clam – und stellte Gary Clark jr. als „die Zukunft“ vor.

Für Musiker ist Verspieltheit wichtiges Kapital. Der 68-jährige Carlos Santana hat sich diese Gabe erhalten. Und nährt sie, indem er sich in vampiresker Manier Frischblut zuführt. So bediente er sich an diesem schönen Abend auf der Burg Clam des famosen Bluesgitarristen Gary Clark jr. nicht nur als Anheizer, sondern duellierte sich mit ihm auch im eigenen Programm leidenschaftlich: „He's the future“, lobte er ihn.

Zu Beginn überrollte die zehnköpfige Santana-Band mit dem legendären Woodstock-Intro. Dann schritt der Meister auf die Bühne und stach erstmals mit seinem glühenden Gitarrenton zu. „Sadeira“ hat das Stück geheißen, das im Original von der brasilianischen Band Skank stammt und gnadenlos in brodelnden Latin-Rock verwandelt wurde. Auch Deon Jacksons Soulklassiker „Love Makes the World Go Round“ war nicht wiederzuerkennen: im Original ein metrosexueller Two-Stepper, jetzt ein muskulöser Latin-Stomper in Rocker-Outfit.

Wollte hier ein ungern Alternder noch einmal möglichst viel Krawall machen? Nicht nur. Santana hat bald gezeigt, dass er auch subtil musizieren kann. Etwa mit dem entspannt groovenden „Freedom in Your Mind“: Die Orgel tönte herrlich schmutzig, die Perkussion betörte mit afrikanischer Anmutung, Santanas Soli wimmerten, als wären die seligen Siebzigerjahre nie zu Ende gegangen. Damals wollte er mittels Musik die molekulare Struktur des Menschen verändern, heute begnügt er sich damit, dass die Menschen rhythmisch mitklatschen.

„Make it sexy, girls!“

Das taten sie. Die Jüngeren bei „Maria Maria“ und „Corazon Espinado“, die Älteren bei „Oye Como Va“ und „Black Magic Woman“. Das mächtig aufbrausende „Jingo-Lo-Ba“ würzte Santana mit einem Auszug aus Osibisas „Sunshine Day“, „Creation“ mit Elementen aus dem Stones-Klassiker „Paint it, Black“. Es musste auch Raum sein für Kitsch der höheren Ordnung, wie das anrührende Instrumental „Europa“: Dieser Gleitcreme von Melodie war nichts entgegenzusetzen. Ohne Widerworte glitten die Fans auch in Santanas esoterische Lesart von John Coltranes „A Love Supreme“. „We are only two things: light and love“, murmelte er. Dann fuhr der Teufel der Begierde dazwischen: „Make it sexy, girls!“ In orgiastischem Gestus ging es ins Finale. Erst wackelte der Promilleklassiker „Tequila“ ans Ohr, ehe der Megahit „Smooth“ noch die herbste Braut in eine anmutig die Hüften schwingende „Spanish Harlem Mona Lisa“ verwandelte. Das Gewitter danach gehörte angeblich nicht mehr zum Programm.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.07.2015)

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