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Fennesz in der Karlskirche: Fromm? Fad!

(c) APA/HERBERT PFARRHOFER (HERBERT PFARRHOFER)
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Endlich kein Geplauder mehr am letzten Abend des Popfests Wien. Da war die Enttäuschung umso größer.

60.000 kamen heuer zum Popfest Wien zum Teich vor der Karlskirche, davon sei er „sehr beeindruckt“, sagt laut APA Festivalleiter Christoph Möderndorfer, wiewohl er einräumt: „Es gibt immer Leute, die's nicht interessiert und die sich dort zum Biertrinken, Quatschen und Essen treffen.“ Diese waren vielleicht, wie Möderndorfer meint, nicht die Mehrheit der Besucher, aber sie dominierten die Atmosphäre: städtisches Dorffest mit Hintergrundmusik. Das passte z. B. beim betont entspannten Reggae von Dubble Standard – mit dem ganz besonders entschleunigten Lee „Scratch“ Perry als Stargast –, vielleicht auch beim erstaunlich altväterlichen Elektrojazz des Dorian Concept, aber etwa nicht beim Heurigen-Soul von 5/8erl in Ehr'n, deren leiser Witz im allgemeinen Geplauder unterging.

Leichter mit der Konzentration tat man sich in der Karlskirche, wo am Sonntagabend die letzten Konzerte stattfanden, unter der trotz Baugerüsten imposanten Kuppel der Gegenreformation, unter dem Zeichen der Dreifaltigkeit im gleißenden Strahlenkranz. Was für ein prächtiger Ort für Musik. Da wird Christian Fennesz, der ohnehin selten in Wien auftritt, etwas Besonderes vorbereitet haben, dachte man – und wurde bitter enttäuscht. Denn Fennesz reizte im Wesentlichen den Kontrast zwischen ätherischen Orgelklängen und wild dreinfahrenden Gitarrenakkorden aus, wobei er Zweitere durchs Echogerät schickte. Das wäre als beschauliches Intro eines Stücks unoriginell, aber okay gewesen, allein, das Stück kam nicht. Nur Gutmütige entschuldigten die schwer erträgliche Langweiligkeit dieser Musik mit der Unterstellung, sie sei „spirituell“ gemeint gewesen, sozusagen unter dem Motto: So fad, das muss ja fromm sein.

Hier triumphiert die Entropie

Etwas ambitionierter klang dann die Soloperformance von Christina Nemec alias Chra: Spätzeitmusik für eine Ära nach Ende aller Ären, in der die Entropie endgültig triumphiert, in der schon die Idee, dass noch etwas Wesentliches oder Aufregendes passieren könnte, absurd erscheint. Brutal sanfte Staubsauger, selten tiefes Wummern, idyllisches Schnarchen.

„Hat ja nichts gekostet“, rechtfertigte eine Besucherin die Enttäuschung. Genau das ist die Crux dieses – freilich gut gemeinten – Festivals: Es fördert die Auffassung, dass österreichischer Pop so wenig spannend sei, dass man ihn gratis anbieten müsse, um ein gnädiges Publikum anzuziehen. Das stimmt natürlich im Allgemeinen gar nicht, wirkt aber beim Popfest offenbar als Selffulfilling Prophecy.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.07.2015)

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