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Die Magie des amerikanischen Südens in Wien

(c) APA/HERBERT PFARRHOFER
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Rosanne Cash feierte mit Ehemann John Leventhal ein hochkarätiges Österreich-Debüt.

Bereits der Opener war ein Bekenntnis zum Moll. Das von einem soliden Beat angetriebene „Modern Blue“ hat Momente der Melancholie aufgezählt, an denen sich Countrysängerin Rosanne Cash in Europa delektiert hat. „It's a big wide world with a million shades of blue“, verkündete sie euphorisch.

Rätselhaft eigentlich, dass die 60-jährige Sängerin erst jetzt ihr Debüt in Österreich gab. Papa gab uns ja mehrfach die Ehre. Unvergessen ist sein Auftritt in der „Peter-Alexander-Show“ von 1992. Damals wurde der große Johnny vom goscherten Peter dazu genötigt, „Trink ma no a Flascherl Wein“ zu singen. Zuletzt hatte Rosanne Cash durchwachsene Erfahrungen im deutschen Sprachraum: Christina Bach, die sich als Autorin von Helene Fischers „Atemlos durch die Nacht“ eintragen ließ, bediente sich stark an Rosanne Cashs „Land of Dreams“.

Die drei Grammys, die Cash für ihr aktuelles Album „The River & The Thread“ bekommen hat, haben sie offensichtlich milde gestimmt. Dieses späte Meisterwerk stand im Zentrum ihres umjubelten Auftritts in der Wiener Arena, den sie allein mit ihrem Ehemann und musikalischen Gefährten, John Leventhal, bestritt. Mit kargen musikalischen Mitteln beschworen sie die Magie des amerikanischen Südens. Die in Memphis geborene, in Kalifornien aufgewachsene und in New York lebende Künstlerin zieht es immer wieder in die Südstaaten, wo die Wurzeln ihrer Familie liegen. Zur Inspiration reisten Cash und Leventhal nach Alabama, Tennessee und Mississippi, besuchten die berühmte Dockery Farm und das Stax-Museum in Memphis.

Klassiker nach Papas Liste

Pflicht war auch die Inspektion der Tallahatchie Bridge, der die Sängerin Bobby Gentry 1967 in ihrem Hit „Ode to Billie Joe“ ein klingendes Denkmal gesetzt hat. Cash interpretierte dieses um einen mysteriösen Selbstmord kreisende Lied, aber auch andere Coverversionen wie „Long Black Veil“ mit charmant-dunklem Timbre.

Diese Lieder standen auf jener berühmten Liste von Country-Klassikern, die ihr Vater ihr überreichte, als sie 18 Jahre alt wurde. 2009 nahm sie zwölf davon für ihre Songsammlung „The List“ auf. Damals hatte sie sich gerade nach einer lebensbedrohenden Gehirnoperation zurück ins Leben gekämpft. Mittlerweile ist nicht nur ihre kreative Kraft mehr als wiederhergestellt, auch ihr Blick auf die Welt wurde ein in sich ruhender. Cashs aktuelle Songs sind eindrucksvolle Zeugnisse einer reifen Gedächtnis- und Erlebniskunst – etwa das robust gespielte „Etta's Tune“, das von der 65-jährigen Ehe des Johnny-Cash-Bassisten Marshall Grant erzählt, in der jeder Morgen mit der Frage „What's the temperature, darling?“ begonnen hat.

Andere Highlights waren das nachdenkliche „A Feather's Not a Bird“ (Leventhals Gitarre zwitscherte köstlich) sowie das hintersinnige „Money Road“, in dem die Tallahatchie Bridge abermals prominent vorkam. Bei ihrer rasanten Lesart von Johnny Cashs „Tennessee Flat Top Box“ wachten auch die anwesenden Linedancer auf. Als Zugaben hat man das anspruchsvolle „World of Strange Design“ und den Ray-Price-Klassiker „Heartaches by the Number“ gereicht, ein Lied, das man hierzulande dank Peter Alexander als „Ich zähle täglich meine Sorgen“ kennt. Selbige waren an diesem schönen Abend selbstverständlich wie verflogen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.07.2015)

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