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Father John Misty: Songs voller hässlicher Gefühle

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Ein Liebesalbum sei sein „I Love You, Honeybear“ nur aus der Distanz, erklärt der Mann, der sich Father John Misty nennt. Genial ist es jedenfalls. Am Dienstag live in Wien.

Man kann auch als Hörer scheitern: Wer den falschen Zeitpunkt erwischt, verpasst so manche Magie. Um das zu vermeiden, hat der 34-jährige Amerikaner Josh Tillman, früher Schlagzeuger der Folkband Fleet Foxes, seinem zweiten unter dem pfarrerlichen Pseudonym Father John Misty veröffentlichten Album ein Heftchen beigelegt, das vorschlägt, wie und wann man die Songs am besten hören soll. Für den Titelsong „I Love You, Honeybear“ empfiehlt er etwa einen „lodernd heißen Augustmorgen“, eine postalkoholische Semierektion, einen weißen 68er-Cadillac DeVille und zudem Intellekt, Ego und einen Moment der Klarheit. Akustikgitarre, Klavier und schwelgerische Streicher locken hier in eine dieser himmlischen Melodien, die auch nach 20-maligem Hören noch immer nicht all ihre Geheimnisse preisgegeben haben.

Nackt auf der Matratze

Mit fester Stimme führt Tillman in ein horizontales Szenario, in dem das von Mascara, Blut, Asche und Sperma verheerte Leintuch zu „Rorschach sheets“ umgedeutet wird. wird. Dieser Lotterort bringt nicht nur die Zeit zum Verschwinden, sondern führt die Protagonisten in jedem Sinn nackt vor.

Verwundbarkeit und Vertrauen sind bei Father John Misty die Eckpfeiler jener Liebe, von der hier erzählt wird. Und die ist stärker als alles, was als Realität gehandelt wird, auch als die mächtigen Märkte: „The future can't be real, I barely know how long a moment is, unless we're naked, getting high on the mattress while the global market crashes.“

„I Love You, Honeybear“ ist ein Konzeptalbum, das von der Liebe des Josh Tillman zu Emma erzählt und all die Zweifel dekliniert, zu der langjährige Junggesellen fähig sind. „Maybe love is just an economy based on resource scarcity“, singt er im karg instrumentierten „Holy Shit“, beschriebt sein Zögern, sich auf eine große Liebe einzulassen: „Aus der Distanz betrachtet, ist es ein Liebesalbum“, erklärt er: „Wenn man genauer hinsieht, merkt man, es sind Lieder über die Probleme, die ich mit Intimität habe. In diesen Songs ist eine Menge hässlicher Gefühle.“

Das poetische Changieren zwischen Ehrlichkeit und Selbstironie trug Tillman Vergleiche mit Randy Newman und Harry Nilsson ein. Kontrapunktisch zu seinem erbarmungslosen Blick auf die eigene Unzulänglichkeit drückt er immer wieder ein Auge zu, wenn sein Produzent, der begnadete Singer-Songwriter Jonathan Wilson, vage Gefühle mit einer Vielzahl von Instrumenten ins Romantische ausufern lässt. Und zwar mit Verweisen auf die Popgeschichte. „Strange Encounter“, mit heulendem Chor und halligem Schlagzeug, klingt nach Phil Spector. „Holy Shit“ mit seinen wilden Pauken und schrillen Geigen nach Beatles-Produzent George Martin.

Demnächst: „Lieder über Wodka“

Die wallenden Arrangements illustrieren die schwankenden Stimmungen des Protagonisten ideal. In „When You're Smiling And Astride Me“ gibt sich Father John Misty streichelweich: „You see me as I am, it's true, the aimless fake drifter and the horny man-child, Mamma's boy to boot.“ Dann wieder knallhart, etwa in „Nothing Good Ever Happens At The Goddamn Thirsty Crow“: „Livin' it up, you can have it all. You can pull more women than any two men or train can haul“, heißt es in diesem mit der Ödnis des Tourneelebens hadernden Song, dessen Schauplatz ein Ibis-Hotel in der deutschen Provinz ist. Wohl der ideale Ort, um sich Zweifeln hinzugeben. Groß ist auch die Klavierballade „Bored In The U.S.A.“ mit der flehentlichen Zeile „Save me, white Jesus“ im Refrain.

Sein nächstes Album sei schon fertig komponiert, erzählt Tillman: Es werde von allem Möglichen handeln, nur nicht von der Liebe. „So stolz ich auf ,I Love You, Honeybear‘ bin, jetzt hab ich für längere Zeit genug von intimen Bekenntnissen. Mich interessieren jetzt Lieder über Wodka.“

Live in Wien: Father John Misty und The War On Drugs, 18. 8. in der Arena.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.08.2015)

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