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Videostars sind wieder da

kreisky
kreisky (c) monofilm
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Wer braucht schon MTV? Dank digitaler Plattformen, günstiger Technik, eines eigenen Musiksenders und freundlicher Selbstausbeutung erlebt das Musikvideo in Österreich einen Aufschwung.

Keine große Bühne, keine großen Roben und keine Rede vom großen Geld: Die Verleihung der UTV Musikvideo Awards, die das Uni-TV heuer zum fünften Mal für „das beste industrieunabhängige Musikvideo“ im Wiener Klub Ost vergab, war eine bescheidene Angelegenheit. Eine zu bescheidene, wenn man präzise sein will.

Denn tatsächlich erlebt das Musikvideo in einer Zeit, da sich mit MTV das offizielle Musikfernsehen in Richtung Realityshow und Comedy verabschiedet hat und die Krise an Budgets der Musikindustrie knabbert, ein echtes Comeback und in Österreich vielleicht seine beste Zeit überhaupt. Warum? Weil es für Bands – auch für „kleine“ aus „kleinen“ Ländern – noch nie so leicht war, gesehen zu werden. Und noch nie so billig – dank günstiger Technik. „Theoretisch kann man heute für zehn Euro ein Video produzieren“, sagt Filmemacher Sigmund Steiner (Monofilm). Und auch wenn er einschränkt („Es schaut halt dann auch wie zehn Euro aus“): Fürs Internet reicht das notfalls.

Und das ist das Wichtigste, könnte man doch in Abwandlung des alten The-Buggles-Hits dichten: Internet Saved the Video Star. Denn digitale Plattformen wie Myspace, Youtube oder Vimeo dienen Musikfans schon lange als Fundgrube und Bands schon lange als Werbestrategie: einerseits, um via quasi viralem Marketing die eigene Musik unters Volk zu bringen; andererseits, um Konzert-Bookern oder Plattenlabels eine Art visuelle Visitenkarte präsentieren zu können.

Neben günstigen Kameras und dem Internet gibt es aber speziell in Österreich noch einen weiteren Faktor, der die Zahl der Musikvideos steigen lässt: Seit sieben Jahren bestreitet der Sender gotv drei Viertel seines Programms mit Musikvideos (20Prozent davon heimische). „Als wir begonnen haben, war es eine Ausnahmeerscheinung, dass eine österreichische Band ein Video hatte. Inzwischen“, sagt gotv-Chef Thomas Madersbacher, „ist der Anteil stark angestiegen“ – und schlechte technische Qualität beim zugesandten Videomaterial die absolute Ausnahme.

History Repeating. Was nicht zuletzt darauf beruht, dass auch professionelle Videos mit relativ geringem Budget (zirka 1000 Euro) produziert werden können – freundlicher Selbstausbeutung sei Dank. „In der Regel fließt das Geld nur ins Equipment, Gage bekommt keiner“, sagt Steiner, der alle ein bis zwei Monate ein Video für eine Band, deren Musik er schätzt, dreht – zuletzt mit Robert Oberrainer für „Kreisky“. Was für ihn dabei herausschaut? „Ein Produkt, das ich herzeigen kann.“ Und die Möglichkeit, „etwas auszuprobieren“. Denn: „Wenn es kein fettes Budget gibt und kein Label, mit dem man sich groß absprechen muss, kann man experimentieren.“ Zu „Dow Jones“ von Kreisky (s. Bild) assoziierte man etwa ein auf Zeitlupe verlangsamtes Tischtennisturnier ohne Anfang und Ende.

Apropos ständige Wiederholungen: Das Gefühl, in einem Loop gefangen zu sein, beschleicht einen auch, wenn es um die finanzielle Verwertung von Musikvideos im Internet geht. Denn einerseits gibt es große Zuwächse: So stieg 2008 der Umsatz im Web von österreichischen Musikvideos um 30 Prozent, die Zahl der Streamings (das heißt: nur ansehen, nicht herunterladen) via Youtube sogar um 260 Prozent. Für den heimischen Musikmarkt bedeutet das immerhin einen Umsatz von 170.000 Euro (Quelle: IFPI). Andererseits aber ist alles beim Alten: Denn selbst wenn der Onlineshop iTunes seit heuer auch hierzulande Musikvideos vertreibt und Universal Music mit Lala TV (mit dem Mobilfunkbetreiber 3 wird Musik-TV aufs Handy gesendet) einen Schritt in die (für sie) richtige Richtung geht: Die Plattenfirmen haben aus dem verlorenen Kampf am Musikdownloadsektor wenig gelernt. „Web und Musikvideo haben sich zwar gefunden, allerdings erneut weitestgehend unter Ausschluss der Musikindustrie“, kritisierte Gerrit Pohl, Musikchef des Axel Springer Media House, unlängst im Rahmen des Austrian Mobile Music Day.

Denn war das Musikvideo früher bloß Werbemittel für Platten und CDs, würde die Musikindustrie inzwischen gerne Geld damit verdienen – jetzt, da die Produkte, für die das Video wirbt, sich nicht mehr so einfach verkaufen lassen. Doch wie der Streit zwischen dem deutschen Musikgebühreneintreiber Gema und Youtube (respektive dessen Besitzer Google) zeigt: Einfach ist hier gar nichts. Und solange man keine realistischen Bezahlmodelle findet, profitieren eben die Webplattformen, die sich wenig um Urheberrechte kümmern, aber bei Musikvideos die meisten Klicks verbuchen, von den Werbeerlösen.


Madonna im Vorgarten. Aber: Bei Videos geht es ja nicht nur um Geld, sondern auch um Kunst. Meinen die Initiatoren der Screensessions, bei denen Musikclips auch zu Kinoleinwandehren kommen. Denn am kleinen PC-Schirm, sagt Screensessions-Mitstreiter Franz Aigner, merke man gar nicht, wie gut oder schlecht ein Video sei. Das mag stimmen, aber eines merkt Webdesigner Thorsten Konrad auch so: dass Musikvideos nach wie vor sehr klassisch sind. „Dabei ist es technisch längst möglich, Video und Internet zu verbinden.“ Den ersten Clip in „Mash-up“-Marnier, die sich an den jeweiligen Betrachter anpasst, machte er für die Band All Joines. Dabei werden via PC abgerufene Informationen wie Nachrichten oder Bilder aus der Region des Nutzers ins Video integriert. Die Umsetzung ist zwar noch mau, die Idee aber gut: Denn Madonna, wie sie durch einen Wiener Vorgarten tanzt – das hätte etwas, oder?

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.05.2009)

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