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The Arcs: In der Besenkammer von Jimi Hendrix

(c) Rob Swift/Warner Music
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„Ich liebe diese Ungewissheit“, sagt Dan Auerbach, Mastermind der Black Keys, über die Arbeit mit seiner neuen Band The Arcs. Mit der „Presse“ sprach er auch über Boxen als Wissenschaft und den trägen Charme des amerikanischen Südens.

Dan Auerbach ist ein höchst erfolgreicher Workaholic. Als Sänger, Gitarrist und Komponist der Black Keys nimmt der 36-Jährige kunstvoll zerdepschten Retro-Blues für die Massen auf. Jedes Lied ein Blechschaden, dem attraktive Melodie abgetrotzt wird. Als Produzent von Stars wie Lana Del Rey und Dr. John verdiente er sich Grammys und die Anerkennung der Kritik.

Und doch fehlte ihm etwas im Künstlerleben: das ziellose Musizieren mit Freunden. Der Kontrollfreak wollte einmal erleben, wie es ist, die Zügel aus der Hand zu geben. Das tat er mit Freunden wie dem Keyboarder Leon Michels und Musikern, die früher u. a. für Amy Winehouse spielten. Als er dann seine Festplatten nach mit Michels & Co. eingespieltem Material durchsuchte, fand er nicht weniger als 75 Songskizzen.

Lässig zwischen Paranoia und Psychose

Einen Teil davon hat Auerbach nun in lockerer Runde in den 1970, kurz vor Jimi Hendrix' Tod, von diesem gegründeten Electric Lady Studios in New York eingespielt. Allerdings nicht in den offiziellen Aufnahmeräumen – die flößten ihm, der kein virtuoser, aber ein sehr effektiver Gitarrist ist, zu viel Angst ein –, sondern in einer Besenkammer. Dort hatte zu passieren, worum es in aller Kunst zu gehen hat: das Erzeugen von Momenten der Magie. „Ich liebe dieses Mysterium, diese Ungewissheit“, schwärmt Auerbach im Gespräch mit der „Presse“ über diesen Prozess: „Es war fantastisch, sich zurückzulehnen und den Songs bei ihrer Entwicklung zuzusehen.“

Für die entspannten Arrangements sorgten die nun als The Arcs firmierenden Kollegen. Doch trotz aller groovigen Lässigkeit insistierte Auerbach auf einem Themengebiet zwischen Paranoia und Psychose. Nach einem unheiligen Beginn mit Kirmesorgel und quengelnder Bauchrednerpuppe kracht der Opener „Outta My Mind“ los. Mit viel Delikatesse singt Auerbach von den Schattenseiten des Erfolgs: „Outta my mind, but I made it, outta my mind, I faded, outta my mind, the ones I love have left my side.“ Das Privatleben mag schwinden, aber nicht der Wille, sich mit der Musik in den Schatten eines Gefühls zu retten: „I'm old enough to know the game, but pushing buttons now is all that keeps me sane“, heißt es da. Im nächsten Song des Albums, „Put A Flower In Your Pocket“, flackert schon ein wenig Euphorie auf. Zu einem nicht geringen Teil sind die weihevoll heulenden Damen der Mariachi-All-Girls-Vokalgruppe Flor de Toloache dafür verantwortlich. „Eigentlich wollten wir sie nur für ein kleines Interludium“, erklärt Auerbach: „Aber sie hatten eine so tolle Energie, dass wir sie auf anderen Songs ausprobiert haben. Es passte immer. Die Damen waren der Nagel, der die Kiste erst geschlossen hat.“ Die wackelnden Rhythmen von „Put a Flower in Your Pocket“, Auerbachs glühende Riffs, die psychedelischen Klänge vom Keyboard sind von einer Innigkeit, die ein wenig Resignation mitkommuniziert.

Derlei Gefühlsambivalenzen regieren das gesamte Album. Das hat wohl mit der permanenten Erschöpfung Auerbachs zu tun. Seine Erklärung dafür, dass das neue Opus „Your's, Dreamily“ heißt, ist schlüssig: „Ich schlafe wahnsinnig wenig. Und wenn, dann traumlos. Es sind Tagträume, die mir meine künstlerischen Eingebungen schenken.“

William Faulkner im Kopf

Sehr beseelt ist „Stay in My Corner“, ein Lied, das am Tag des als „Kampf des Jahrhunderts“ apostrophierten Box-Events zwischen Floyd Mayweather und Manny Pacquiao veröffentlicht wurde. „Boxen ist eine Art Wissenschaft“, sagt Auerbach: „Es hat nichts mit Brutalität und simpler Kraft zu tun. Du musst deinen Körper kennen und wissen, wie du dich bewegst. Es ist eine Art Tanz.“ Assoziation zu engen Tänzen weckt das warme Saxofon, das „Velvet Ditch“ einleitet: Diese Hommage an den amerikanischen Süden entstand bei einer Motorradtour Auerbachs: von Nashville über Memphis nach Oxford, Mississippi: „Im Kopf hatte ich die herrlichen Romane von William Faulkner.“

„Velvet Ditch“ (der samtene Graben) ist ein Spitzname von Mississippi. Der Boden dort ist weich, der Puls des Lebens deutlich relaxter als anderswo in den USA. „Das wirkt sich auf die Sprache aus. Nirgendwo spricht man langsamer“, sagt Auerbach lächelnd. Diese fast fatalistische Beschaulichkeit hört man auch auf „Yours, Dreamily“.

Eilig hat es Auerbach mit den Arcs jedenfalls nicht. „Es war so ein Genuss, einmal ohne Druck mit Freunden aufzunehmen. Als ich etwa Dr. John produzierte, belastete mich der Gedanke, dass ich mit einer Legende im gleichen Raum bin. Und wie Lana Del Rey sich im Studio benahm, darüber will ich nicht ins Detail gehen. Nur so viel: Künstler können manchmal ganz schön mühsam sein.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.09.2015)

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