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Lisa Simone brachte Salzburger Publikum zur Raserei

(c) Clemens Fabry
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Das bejubelte Österreich-Debüt der Tochter von Ikone Nina Simone.

Tumultuarisch-Balkanesisches im sonst so kühlen M32, ein philosophisch-musikalisches Privatissimum zwischen Akkordeon und Saiteninstrumenten im Keller der Blauen Gans, ein Blick in die Zukunft der europäischen Fusion mit Bugge Wesseltoft im Republic – ein letztes Mal regierte die feine Handschrift des am 4. September verstorbenen Kurators Gerhard Eder das Festival Jazz & The City. Beim Abschluss im Landestheater würdigte Intendant Carl Philip von Maldeghem noch einmal Eders Empathie, verglich ihn gar mit Max Reinhardt, Gerard Mortier. Nach kurzer Dunkelheit übernahmen dann Lisa Simone und ihr formidables Trio.

Die Tochter der Musik- und Bürgerrechtsbewegungsikone Nina Simone hat verspätet zu ihrer Berufung gefunden. Der Schatten ihrer Mutter verhinderte beinah die eigene Karriere, erst kurz vor ihrem 30. Lebensjahr entschloss sich die bei der US-Luftwaffe in Frankfurt Arbeitende, den inneren Stimmen zu vertrauen, ging dann aber selbstbewusst ihren Weg. Das sängerische Handwerk erlernte sie in der harten Schule des Broadway, wo Artifizielles mehr Gewicht hat als Authentisches. Über den Umweg der Acid-Jazz-Band Liquid Soul fand sie schließlich zum eigenen Stil.

Ein Meisterwerk: „All Is Well“

Da stellte sie sich dann auch dem einschüchternden Werk ihrer Mutter, interpretierte es auf dem Album „Simone on Simone“ auf funkig-freche Weise neu. Bei ihrem Österreich-Debüt präsentierte sie ihr eigenes Meisterwerk „All Is Well“. Von Beginn an faszinierend waren Wärme und Flexibilität ihrer Stimme, die sie, wenn es ein Liedszenario verlangte, auch erfrischend schmutzig klingen ließ. Etwa bei ihrer rüden Lesart des „Work Song“ von Oscar Brown Jr., bei dem sie angedeutet hat, dass der Geist des Menschen selbst in Gefangenschaft unverdunkelt bleiben kann. In „The Child in Me“ reflektierte sie zärtlich ihre chaotische Kindheit als Tochter der exzentrischen, ruhelosen Nina.

Noch faszinierender war, wie sie Leonard Cohens Ballade „Suzanne“ in eine jubilierende Tanznummer verwandelte. „And just when you mean to tell her, you have no love to give her, she gets you on her wavelenght“ – diese dramatischen Zeilen, die die Liebe als Schicksal definieren, wurden von Bassist Reggie Washington und Gitarrist Hervé Samb mit luziden, karibischen Grooves ausstaffiert. Wie ihre Mutter singt Lisa Simone aber auch von „Revolution“. Und das nur um Nuancen sanfter. Zauberisch Interpretiertes wie der Sixtiesklassiker „Ain't Got No I Got Life“ sorgten beim Publikum für kollektive Polschmelze des inneren Eises. Selten hat man ein Salzburger Publikum derartig rasend erlebt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.10.2015)

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