Pop

Randy Newman: Liebliche Hiebe in alle Richtungen

KONZERT 'RANDY NEWMAN'
KONZERT 'RANDY NEWMAN'APA/HERBERT PFARRHOFER
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Randy Newman, der 71-jährige Altmeister des ironischen Songs, verzauberte im Wiener Museumsquartier durch höflichen Sarkasmus und unverstellte Romantik.

Ein bisschen warten fördert stets die Euphorie. Das Saallicht war schon erloschen, ehe der 71-jährige Randy Newman zum Flügel stürmte, als gälte es, die letzte U-Bahn zu erwischen. Er ist in den vergangenen Jahren runder geworden. Während die Finger mit viel Elan über die Klaviertasten tanzten, schien seine Kehle zu Beginn ein wenig eingerostet. Seltsamerweise störte all dies Räuspern und Krächzen nicht. Im Gegenteil. Die Eleganz seiner Klaviermelodien wurde dadurch auf geheimnisvolle Art verstärkt.

Der Abend hob mit einer schwebenden Ballade an. „I Love To See You Smile“, eine romantische Preziose, die Newman 1989 an den Soundtrack der Steve-Martin-Klamotte „Parenthood“ vergeudet hat. Überhaupt ist es ein großer Verlust, dass sich dieser begnadete Popkomponist in den vergangenen Jahrzehnten fast ausschließlich an Hollywood verkauft hat. Dabei haben die Popfans Sehnsucht nach so meisterlichen Songzyklen wie „Little Criminals“ und „Bad Love“.

Für sie kommt jetzt die gute Nachricht: Newman hat ein paar neue Songs ausprobiert. Nach fünf Jahren der Stille ist für Jänner ein neues Album geplant. Noch ist es namenlos. Ein wenig „cheerful stuff“ habe er schon, plauderte er aus. Etwa ein Lied über das schmerzliche Ende einer langen Ehe durch den Tod der Gattin. Niemand anderer versteht es, auf so liebende Weise die Doppelbödigkeiten der bürgerlichen Moral und Lebensweise zu decouvrieren. Newmans Sarkasmus ist beinah höflich, seine Freundlichkeit auf dezente Art maliziös. „Short People“, der einzige große Hit unter eigenem Namen, war der denkbar undankbarste Erfolg, den er hatte einfahren können, erläuterte er im mit artigen Menschen vollgeschlichteten Museumsquartier. „Ich habe mir damit einen Teil der Bevölkerung zum Feind gemacht“, erinnerte er sich amüsiert an das damalige Unverständnis.

Ironie und die Einführung eines literarischen Ich in den Popsong waren damals noch neu. Heute muss man schon schwerere Kaliber auffahren, um zu schockieren. Mit einem seiner neuen Songs könnte es glücken. Mit pathetischen Akkorden lockte er in ein dramatisches Szenario. „When he takes his shirt off, it drives the ladies crazy. When he takes his shirt off, it makes me want to be a lady“, krächzte Newman und nannte dann genussvoll den Namen des barbusigen Posterboys: „Putin! Putin!“ Die köstliche Persiflage auf die Selbstdarstellungsexzesse des russischen Präsidenten wird nicht überall goutiert werden. In den Kreml, wie zuvor Mireille Mathieu und Kurt Hauenstein, wird er mit diesem Lied nicht kommen.

„Verkaufe Seele für einen guten Song“

Egal, Randy Newman ätzt bekanntermaßen in alle Richtungen. Außer er ist von der Liebe okkupiert. Zarte Liebeslieder wie „Marie“ und „Real Emotional Girl“ gab es nämlich auch an diesem schönen Abend. So ließ er das Publikum teilhaben an der kuriosen Entstehungsgeschichte von „I Miss You“, einem Lied, das er, gerade zum zweiten Mal vermählt, damals seiner Exgattin widmete. „I might sell my soul for a good song“, murmelte er. Das ist wohl wahr. Highlights der ruppigeren Art waren „I'm Dead (But I Don't Know It)“ und das als „Spiritual“ angekündigte „It's Money (That I Love)“. Die hinterfotzige Mörderballade „In Germany Before the War“ ging ebenso unter die Haut wie das vor „human kindness“ warnende „I Think It's Going To Rain Today“. Das rauschende Finale gehörte dem bekenntnishaften „Lonely at the Top“ sowie dem unverstellt romantischen „Feels Like Home“. Standing Ovations!

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.11.2015)

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