Pop

Das Leben als Klischee als Pop

ENTERTAINMENT-US-BRITAIN-MUSIC-ADELE-FILES
ENTERTAINMENT-US-BRITAIN-MUSIC-ADELE-FILES(c) APA/AFP/ROBYN BECK
  • Drucken

Adele, britische Großhändlerin steriler Power-Pop-Balladen, serviert mit 27 ihr drittes Opus namens „25“. Es ist wieder deprimierend flach.

Die emotionale Gleichschaltung durch die Formatradios dieser Welt hat eine Popgeneration hervorgebracht, die mit authentischen Klängen wenig anzufangen weiß. Schlugen Popsongs einst Schneisen ins Ungehörte, so geht es in den letzten beiden Jahrzehnten vornehmlich darum, mit unangezweifeltem Vokabular musicalhafte Klischees zu fertigen, die sich vor allem gut verkaufen sollen. Die britische Sängerin Adele – den Nachnamen lässt sie aus einer Strategie der falschen Vertraulichkeit weg – ist Paradebeispiel dieser marktorientierten Optimierung zu Lasten jeder Subjektivität.

In Tottenham aufgewachsen, früh beeinflusst von der Retortenband The Spice Girls, war sie bereits als Kind williges Opfer des konventionellen Radiopop. Als Einzelkind ahnte sie rasch, dass man sich mit gellender Stimme kreissägengleiche Macht verschaffen konnte. Warum sie aber soviel mehr Erfolg bei ihrer Generation hat als etwa Leona Lewis oder Jesse J, ihre Jahrgangskolleginnen an der Brit School of Performing Arts, darüber wäre zu spekulieren. Vielleicht hat es damit zu tun, dass die heute 27-Jährige das Leben am liebsten retrospektiv betrachtet.

Das Gegenteil vom Amy Winehouse

Auf „Hello“, ihrer ersten Powerballade nach „Skyfall“, dem mit Grammy, Oscar und Golden Globe ausgezeichneten James-Bond-Lied, gibt sie sich abermals als eine vom unerbittlichen Fließen der Zeit zerquälte Liebende. „Hello, can you hear me? I'm in California dreaming about who we used to be when we were younger and free.“ Das Video haben innerhalb von drei Wochen mehr als 400 Millionen Menschen angeklickt. Sechs Monate hat es gedauert, bis der klaviergetriebene Song, der leichte Ähnlichkeiten mit Madonnas „Frozen“ hat, auskomponiert war. Zeit, die aus Sicht der Musikindustrie gut investiert war. „Hello“ wurde ein Nummer-eins-Hit in vielen Ländern.

Nun folgt das dritte, deprimierend flache Album „25“, wie die Vorgänger „19“ und „21“ nach dem Lebensalter benannt, in dem sie begonnen hat, die jeweiligen Songs zu schreiben. Adele ist in vielerlei Hinsicht genau das Gegenteil der früh verglühten Amy Winehouse, die, ohne nach links und rechts zu schauen, tapfer ihre Seele auspresste, um gute Songs hervorzubringen. Im Kontrast dazu trägt Adele das merkantile Kalkül selbst dann auf der Zungenspitze, wenn sie von „Sweetest Devotion“ quietscht. Steuert sie gar eine „Love In The Dark“ an, so besteht Anlass, sich zu fürchten. Aber sie wägt entlang der stromlinienförmigen Melodie ohnehin nur kalt ihre Zweifel ab, statt sich an die Sinnlichkeit zu verschenken. Diese Frau lebt einfach nicht im Augenblick. Argwöhnisch betrachtet sie das eigene Leben, als wäre es schon vorbei.

Artifizielle Zerknirschung hört man auch, wenn sie sich mit gepresster Stimme durch „When We Were Young“ müht, das mit Zeilen wie „It was just like a movie, it was just like a song, when we were young“ quält. Derlei metaphorische Hülsen sind unfreiwilliges Zeugnis dafür, dass auf „25“ nichts als vorfabrizierte Emotionen verhandelt werden. Die in Spurenelementen dargereichten Dubstep-Partikel können das grundsätzlich Reaktionäre dieses Albums nicht vernebeln. Bizarr wird es, wenn sich diese Teflonfrau in „Remedy“ als sedierende Medizin anempfiehlt. „When the pain cuts you deep, just look and you will see, that I will be your remedy.“ Dann lieber doch in Schmerzen sterben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.11.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Pop

Adele boykottiert Spotify und andere Streaming-Dienste

Das neue Album "25" von Adele, das heute Freitag erscheint, wird auf den Streaming-Plattformen nicht erhältlich sein.
ENTERTAINMENT-US-BRITAIN-MUSIC-ADELE-FILES
Pop

Adele geht 2016 auf ausgedehnte Europatournee

Konzerte sind unter anderem in Berlin, Stockholm, Amsterdam, Barcelona und Paris geplant. Österreich steht noch nicht am Tourplan.
Pop

YouTube-Persiflagen zu Adeles neues Album

Miss Piggy zeigt sich von der Single "Hello" beeindruckt, in der Comedy-Show "Saturday Night Live" rettet das Lied gar ein Familienfest. Adele selbst gab sich als Doppelgängerin aus.
USA NEW YORK ADELE ALBUM
Pop

Adele mit Album "25" auf Rekordkurs

Die Britische Sängerin verkaufte innerhalb von drei Tagen in den USA 2,3 Millionen Exemplare, in Großbritannien über 500.000 Stück
Pop

Adele boykottiert Spotify und andere Streaming-Dienste

Das neue Album "25" von Adele, das heute Freitag erscheint, wird auf den Streaming-Plattformen nicht erhältlich sein.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.