Pop

Vier mal fünf: Unsere Alben des Jahres 2015

(c) Labels
  • Drucken

Ranking. "Die Presse"-Popkritiker und Kulturredakteure küren ihre fünf Lieblingsalben des Jahres.

Die Top 5 von Samir H. Köck

1. Maki Asakawa: Maki Asakawa

Auf fast jedem Bild hält sie einen Tschick in der Hand. Dazu war sie konsequent in schwarz gekleidet. Kein Wunder, dass die 2010 verstorbene Sängerin mit Juliètte Gréco verglichen wurde. Musikalisch war sie eher eine fernöstliche Billie Holiday. Wie die famose, auf dem kleinen britischen Label Honest Jon's erschiene Kompilation beweist, war konsequent dem Moll verfallen, egal ob sie nun Blues, Jazz oder Folk sang. Mit charismatischer Stimme durchpflügte sie wunderbare triste Szenarien, um den Hörer letztlich ohne Hoffnung zu entlassen.

2. Romano: Jenseits von Köpenick

Der größte Spaß des Jahres. Der in der DDR sozialisierte Köpenicker interpretiert in voller Liebe Genres, die einander eigentlich ausschließen. Also Grime und Schlager, Metal und Hiphop. Sein zweites Album „Jenseits von Köpenick“ reißt in einen existenziellen Strudel. Der mit weizenfarbenen, geflochteten Zöpfen ausgestattete Romano will, dass wir böse Banken abfackeln, mit Metalkutten herumlaufen und uns gegenseitig Klapse auf den Po geben. Eigentlich wäre das ein vernünftigeres Programm, als die deutsche Politik am Plan hat.

3. Jesper Munk: Claim (mit Link)

Der 22jährige Jesper Munk hat alles, was man zu einer Weltkarriere braucht, nur den Geburtsort nicht. Mit seinem famosen, zweiten Album „Claim“ wird er die Sache aber auch von München aus klar machen. Niemand spielt rotziger Gitarre, niemand hat eine derartige raue Stimme. Dazu kommt noch erstklassige, selbst komponiertes Liedgut zwischen Blues und Soul. Produziert u.a. von Mocky und Jon Spencer, glückte ein Album, das viel Magie abstrahlt. Eine gewisse Schmerzverliebtheit streitet der junge Mann nicht ab: „Es gibt ganz bestimmte melancholische Gefühle, die zu einer abstrusen Glückseligkeit führen. Das sind die schönste Momente im Leben, finde ich.“

4. Lana Del Rey: Honeymoon (mit Link)

Sie hat es wieder getan. Niemand anderer lockt so charmant in die Abgründe. Lana Del Rey versteckt auf „Honeymoon“ bittere Sentenzen in sirupsüße Melodien. Und sie räumt mit den Klischees der Liebe auf. Der „Honeymoon“, den Lana Del Reys drittes Majorlabelalbum verspricht, ist doppelbödig gemeint. Nach ihrem superben, von Dan Auerbach zeitgenössischer produzierten Vorgänger „Ultraviolence“, läßt sie Del Rey nun wieder ins Lotterbett hemmungslos nostalgischer Breitwandarrangements fallen. Mal leuchtet sie die Abgründe der Psyche aus, dann lockt sie wieder in die glamouröse Welt des Verbrechens. Das ist gefährlich, das entzückt.

5. Benjamin Clementine: „At Least For Now“ (mit Link)

Vor wenigen Wochen wurde dem afrikanischstämmigen Autodidakt aus Nord-London sogar der renommierte britische Mercury Prize zuerkannt. Das war das perfekte Jahr für diesen Balladier, der als Obdachloser in der Pariser Metro zu singen begonnen hat. Mittlerweile hat er sogar ein Duett mit Chanson-Altmeister Charles Aznavour aufgenommen. Außerdem ist er auch rein äußerlich eine imposante Erscheinung. Markante Backenknochen, winzige Ohren und eine Körpergröße von ca. 1,95 Meter. Seine oft ansatzlos von jugendlichem Tenor in Falsett wechselnde Stimme erweckt Assoziationen mit Nina Simone, Odetta und Antony Hegarty. Schuhe trägt Benjamine Clementine selten. Zur Kompensation hat dieser Riese aber eine Frisur, von kühner Architektur. „At Least For Now“ ist ein durch und durch brillantes Debüt. Seine Songs sind ein Hybrid aus Chanson, Jazzstandard, Kunstlied und Popsong sind, ausgestattet mit subtilsten Texten. Ein Hochgenuss!

Die Top 5 von Heide Rampetzreiter

1. Alabama Shakes: Sound & Color

Sie kriechen ins Ohr und lassen nicht mehr los – die Alabama Shakes mit ihrem starken dritten Album „Sound & Color“. Vom Titeltrack über den „kleinen Hit“ „Do't wanna fight“ über das räudige „The Greatest“ bis zum zarten Liebeslied „Over My Head“: Die gefühlvollen Songs der US-Bluesrocker überzeugen. Das Album des Quartetts um Sängerin Brittany Howard hält sich hartnäckig in der Playlist.

2. Sufjan Stevens: Carrie & Lowell (mit Link)

Ein ganzes Album über den Tod seiner Mutter, über Selbstmordgedanken und das Gefühl, sich selbst zu verlieren: „Carrie & Lowell“, nach Stevens Mutter und ehemaligem Stiefmutter benannt, ist kunstvolle Trauerarbeit. „We're all gonna die“ heißt es im zentralen Stück „Fourth of July“ im Refrain (!). Das siebte Studioalbum fällt – weitgehend mit Gitarre und Klavier spärlich instrumentalisiert – intimer und fragiler aus als der opulente Vorgänger „The Age of Adz“. Todtraurigwunderschön.

3. Kendrick Lamar: To Pimp a Butterfly (mit Link)

2015 war das Jahr des Kendrick Lamar: Allerortens wurde der Rapper gefeiert, auch am Frequency Festival in St. Pölten. Die überlegten, vielschichtigen, politisches „King Kunta“ und „Alright“ gehören mit zu den stärksten Songs des Jahres,. Lamar erzählt von Klassenkampf, Polizeigewalt und seiner fortwährenden Sinnsuche. Was für ein großartiges Rap-Album, das den Hip-Hop an seine politischen Ursprünge zurückführt.

4. Tame Impala: Currents (mit Link)

Das dritte Album der schwer in den Sixties verwurzelten australischen Band ist wie aus einem Guss: 13 sphärische, ein bisschen psychedelische Lieder voller analoger Keyboards. Besonders schön: das liebevolle Trennunglied „Finally“: „I know that I'll be happier and I know you will too. Eventually“, heißt es darin.

5. Joanna Newsom: Divers (mit Link)

Nach einer noch weniger zugänglichen Phase zeigt sich die Kate Bush der Nullerjahre auf ihrem vierten Album wieder zugänglicher – die Harfen-Melodien sind hypnotisch und warm wie eh und je. Darüber singt die hippieske Bardin Geschichten von Liebe, Lieblingsstädten und der See. Hie und da erklingt sogar eine E-Gitarre.

Die Top 5 von Holger Fleischmann

1. Tame Impala: Currents

In diesem schwerelosen, wie mit Watte gepolsterten Sound kann man sich vollends verlieren: Mastermind Kevin Parker schwenkt den Psychedelic-Rock von Tame Impala Richtung Pop und Slow Motion-Disco, tauscht Gitarren gegen Synthezizer und Drum-Machines. Und erweist sich als Meister der emotionalen Überwältigung. Stimmig und fesselnd von der ersten Sekunde an.

2. Natalie Prass: Natalie Prass (mit Link)

Wunderbarer Country-Soul, der stellenweise an Sixties-Girlgroup-Pop andockt: Natalie Prass singt Zeilen voller (Herz)Schmerz - und klingt doch nie verbittert. Enttäuschungen transportiert sie mit den süßesten Streichern. Direkte, intime Songs, die mit den prächtigen Arrangements der Hausband ihres Labels Spacebomb zur voller Größe anschwellen.

>> Zur "Presse"-Kritik

3. Jamie XX: In Colour (mit Link)

Mehr als zwei Jahrzehnte britische Clubkultur - von Rave über Jungle bis Garage und Dubstep - gefiltert durch Pop und die Spätnacht-Melancholie seiner Stammband: Jamie XX haucht alten Breakbeats neues Leben ein.

>> Zur "Presse"-Kritik

4. Courtney Barnett: „Sometimes I Sit And Think And Sometimes I Just Sit“ (mit Link)

Die junge Australierin Courtney Barnett singt über nervige Autofahrer, Heuschnupfen oder Biogemüse: bissig, mit stürmischen Gitarren und packenden Melodien. So frisch haben die Neunziger schon lange nicht mehr geklungen.

>> Zur "Presse"-Kritik

5. Mbongwana Star: „From Kinshasa“ (mit Link)

Meilenweit entfernt von der Rumba ihrer Heimat, berauschen Mbongwana Star aus dem Kongo mit einem ungehörten wie unerhörten Sound: heftig pulsierende Rhythmen, wie durch ein Meer aus Echo und Hall gezogen, getrieben von tollen Vocals. Musik, die nach Ekstase und Kritik gleichermaßen klingt!

>> Zur "Presse"-Kritik

Die Top 5 von Maciej Palucki

1. Kendrick Lamar: To Pimp A Butterfly

Explizit politisch, düster und doch voller Soul. Rap-Musiker Kendrick Lamar legt mit seinem dritten Album „To Pimp A Butterfly“ ein beseeltes Meisterwerk vor, das mühelos Genreketten sprengt. Live konnte er ebenso überzeugen, bei seinem ersten Konzert in Österreich am Frequency im August 2015).

2. Young Fathers: White Men Are Black Men Too (mit Link)

Der Hip-Hop-Mantel, der den avantgardistischen Schotten Young Fathers gern umgehängt wird, ist viel klein. Eklektizismus trifft wohl eher zu, auch wenn dies ein beinahe ebenso nichts- bzw alles sagender Begriff ist. Der zweite Longplayer - wegen des Titels hatten sie ein Scharmützel mit ihrem Label - ist wummernd, wütend. Kurzum eine Wucht.

3. Bilderbuch: Schick Schock (mit Link)

Die vom Feuilleton (hierzulande und in Deutschland) über den Klee gelobte österreichische Gruppe hat sich mit „Schick Schock“ endgültig vom Indie Rock emanzipiert. Ein unverschämt lässiges, funkiges Pop-Album, samt Huldigung an das Mischgetränk Spezi und Schmusesänger Barry Manilow. Bilderbuch, magnifico!

4. Charlatans: Modern Nature (mit Link)

Großes, melancholisches Comeback der Madchester-Heroen. Nach dem Krebs-Tod von Schlagzeuger Jon Brookes nahm die britische Band um den erblondeten Tim Burgess Songs auf, „die uns glücklich machen“. Die Hammond-Orgel blubbert. Anachronismus is King: „Let the Good Times Be Never Ending“.

5. Jamie XX: In Colour (mit Link)

Es wäre eigentlich längst wieder Zeit für ein xx-Album. Bandmitglied Jamie Smith alias Jamie xx versüßt die Wartezeit mit einer famos-tropikalen LP. Auf „Loud Places“, einem der vielen Anspieltipps, singt seine musikalische Mitstreiterin Romy Madley Croft. The xx nun also auch in Farbe.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.