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Die Kunst des Kleidens: Gespenst und Gigolo, Mod und Dada

(c) APA/AFP/BERTRAND GUAY
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Bei David Bowie ging jede Wandlung, egal ob in Musik oder Film, mit einer stringenten visuellen Veränderung einher. So manches Outfit, etwa das vom Dadaisten Tristan Tzara inspirierte Lack-Fischgrät-Ensemble oder ein senfgelber Anzug von Freddie Burretti, hatte dabei Schockpotenzial.

David Bowies Auftritt als geheimnisvoller FBI-Agent Phillip Jeffries in David Lynchs Kinofilm „Twin Peaks: Fire Walk With Me“ zeigte 1992, in einer Phase, in der er musikalisch alles andere als hip war, dass er, was Mode betraf, immer noch jene Zaubergabe besaß, Unmögliches anzuziehen und dabei nicht peinlich, sondern interessant auszusehen. Hellgrauer Anzug mit Bundfaltenhose und breitem Revers, Hawaiihemd und güldenes Kreuz – in diesem trostlosen Habit nicht abzustinken, war ein Wunder. War es Intuition? Aura? Oder ein ganz eigenes Mojo?

Nicht wenige, die die Bowie-Ausstellung 2012 im Victoria and Albert Museum in London besuchten, wunderten sich über die sensibel ausgelegten Kostüme aus dessen illustrer Karriere. Allein der Overall, den Bowie für die Aufnahmen zur britischen Musiksendung „Old Grey Whistle Test“ wählte, löste Stirnrunzeln bei vielen aus. Der braun gemusterte Stoff sieht in heutigen Augen mindestens so unhip aus wie die Vorhänge einer ungarischen Raststation. Das Geniale am damals aufstrebenden Star war wohl die Attitüde, mit der er Unmöglichstes trug.

Sein bald inniges Verhältnis zur Mode begann eher vorsichtig. Zunächst variierte er den bewährten, anpasslerischen Dresscode der Mods, der nur in kleinen Details Informationen über den opponierenden Geist des Trägers preisgab. Die nocturne Szene im Video zu „Absolute Beginners“ durchmaß er mit dunklem Borsalino und hellem Staubmantel. Das war okay. Bloß die dunkle Krawatte war eine Spur zu breit für den echten Modstyle. Der 1986 von Julien Temple gedrehte Film, der die britische Jugendszene Ende der Fünfzigerjahre porträtierte, war von den Kostümen her auch nicht durchgehend glaubwürdig. Egal.

Die modisch wichtige Zeit Bowies begann nach seinen Jahren als Londoner Mod mit „Space Oddity“ und außerirdisch wirkenden Hosenanzügen und Overalls. Freddie Burretti war Bowies „Man who sewed the world“. Er war es, der Bowies vage Ideen in gewagte Entwürfe übersetzte und die Kostüme für den „Star Man“ und das „Ziggy Stardust“-Album realisierte. Kennengelernt hatten sich die beiden in der Gay-Disco Sombrero, wo Burretti in Spandex-Hot-Pants und Matrosenoveralls herumstakste.

Hauptberuflich arbeitete Burretti bei einem Schneider in der King's Road. Bowies Kostüme machte er zu Hause im Pfusch. Bald wurde nicht nur der musikalische, sondern auch der designmäßige Wandel zur Pflicht. Mit Ansteigen der eigenen Berühmtheit und dem Anschwellen des Geldbeutels wandte sich Bowie an bereits etablierte, avantgardistische Modeschöpfer wie Kansai Yamamoto. In dessen „metallic bodysuit“ sorgte Bowie auf seiner „Aladdin Sane“-Tour für Furore. Noch spektakulärer war Yamamotos „Tokyo Pop Vinyl Bodysuit“ der ebenfalls 1973 eingesetzt wurde. An den Beinen ploderte dieser schwarze, mit eingravierten Rillen besetzte Overall schallplattenmäßig aus. In der darauffolgenden Glam-Rock-Phase faszinierte Bowie nicht bloß mit Plateausohlen und tiefen Ausschnitten. Zum ersten Mal präsentierte er sich in kühn geschnittenen Anzügen: Zweiteiler mit roten Hosenträgern und dezenten Pullis.

1976, auf seiner „Isolar“-Tour, präsentierte sich Bowie als Thin White Duke. Schmale Silhouette, dunkle Beinkleider, weiße Hemden und Gilets aus der Werkstätte von Ola Hudson. Verlässlich führte Bowie jeweils neue Outfits vor. Vieles hatte Schockpotenzial, wie das vom Dadaisten Tristan Tzara inspirierte Lack-Fischgrät-Ensemble, das von Sonia Delaunay 1979 variiert wurde. Oder der großartige, senfgelbe Anzug, den Freddie Burretti 1974 ersann.

Und dann, 1982: ein schlichtes Hemd

Später, in den Neunzigerjahren, nach all diesen wundervoll versponnenen Gewandungen, schockierte es, wenn Bowie in einem schlichten, karierten Hemd vor die Kamera trat. In den Achtzigerjahren nahm Bowies Interesse, auf den Bühnen subtile, körpersprachliche Akzente zu setzen, merklich ab. Er war der Images müde, hatte keine Lust mehr auf ein durchgeplantes semiotisches System. Seine Musik war da längst nicht mehr Kunstwerk, sondern ein durchgeplantes Konsumprodukt. Trotz der Loslösung vom modischen Fokus seiner besten Jahre geht David Bowie als jener Popkünstler in die Geschichte ein, der die eigene Ikonografie bis ins letzte Detail plante. Die Mittel, derer er sich bediente, hat er penibel in einem Archiv bewahrt. Einzig jenes Kostüm, mit dem er im Film „The Man Who Fell to Earth“ ins Bewusstsein schnalzte, hat er nun für immer abgegeben: die nackte Haut.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.01.2016)

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