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Clarence Reid: Er gab den ersten schwarzen US-Präsidenten

Clarence Reid (1939–2016), hier maskiert als Blowfly.
Clarence Reid (1939–2016), hier maskiert als Blowfly.(c) Weird World
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Clarence Reid alias Blowfly machte zwei Karrieren: erst als begnadeter Soulkomponist, dann als Urvater des Hip-Hop und Erfinder des Porno-Rap. Jetzt ist er 76-jährig in Florida an Leberkrebs gestorben.

Er war ein großer Sünder, aber ein bibelfester: Clarence Reid kannte jeden Psalm und wurde zornig, wenn er Predigten hörte, die einen falsch deuteten. Also sagte er: „Nach Satan braucht ihr nicht im Stripclub suchen, den findet ihr in der Kirche.“ Seinem Verständnis nach scheut der Teufel die Sünder: „Mich magst du nicht“, sagte er in seinen Tagträumen zu ihm, „ich mache schmutzige Platten.“

Das tat er nicht von Anbeginn seiner seltsamen Karriere: Als Clarence Reid nahm er tolle Funkalben auf und komponierte romantische Soulklassiker für Gwen McCrae und Betty Wright. Erst 1973 begann er eine Parallelkarriere als Blowfly: Auf „The Weird World of Blowfly“, seinem Debütalbum unter neuem Namen, verpasste er Hits aus Pop und Soul obszöne Texte, aus der „Rainy Night in Georgia“ wurde etwa eine „Spermy Night“. Der Mann kratzte nicht bloß an den Tabus, er wollte sie zerschmetterten. Und hatte richtig kindliche Freude an seinem Tun. Jahrzehntelang hampelte er in Glitzeroveralls samt Cape und Gesichtsmaske über die Bühnen. Das mutete manchmal, etwa bei seiner Performance im U4 im Jahr 2000, ein bisserl traurig an. Vor allem, wenn man wusste, dass er das Talent zu einer ganz seriösen Karriere gehabt hätte. Immerhin stammen Hits wie „Clean up Woman“ und „90 % Of Me Is You“ aus seiner Feder. So aber wackelte er vor einer grölender Menge herum, um im Halbplayback seine halbseidenen Figuren vorzustellen. Etwa den „First Black President“. Der kokste selbstverständlich und hatte Sex mit Miss Click, seiner Sekretärin.

Dieses Stück fand sich, so wie „Too Fat to Fuck“ und „That's What Pussy Is Made For“, auf dem Album „Fresh Juice“ (1983), mit dem er seinen Durchbruch beim weißen Publikum feierte. In den Siebzigerjahren waren seine Porno-Raps wie „Electric Banana“ noch Geheimtipp am Chitlin' Circuit, in den von den Schwarzen präferierten Theatern wie Apollo (New York) und Howard (Washington). Heute gilt er als einer der Urväter des Hip-Hop und als Erfinder des Porno-Rap, mit dem heutige Superstars wie Lil Wayne Millionen scheffeln. Blowflys Grooves wurden von zahlreichen Größen wie Ol' Dirty Bastard und DJ Shadow gesampelt, so kam er wenigstens zu Tantiemen. Der vielleicht schönste Moment seiner Karriere kam, als ihn ein weißer Rassist im Auftrag seiner Töchter um Autogramme bat. Also kritzelte er: „Für meine süßen Ladies, in Liebe, Blowfly. Aber tut mir einen Gefallen und schiebt eurem Daddy einen Maiskolben in den Arsch.“ Sein grimmiger Humor wird uns abgehen. Für Februar ist ein letztes Album angekündigt: „77 Rusty Trombones“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.01.2016)

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