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Todesmeldungen: Der Triumph des Internet

(c) AP (Karel Navarro)
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Coup von tmz.com: Die Site gab im Todesdrama um Jackson Tempo und Takt vor. Im Minutentakt veröffentlichte sie aktualisierte Versionen des Gesundheitszustands von Michael Jackson.

Sechs Minuten, bevor Michael Jackson offiziell für tot erklärt wurde, hatte die Promi-Website tmz.com die Todesmeldung bereits durchs Internet gejagt. Minuten später folgten die „Los Angeles Times“ und die Nachrichtenagentur AP, die TV-Sender ließen sich mit der Bestätigung noch bis zu einer Stunde Zeit. Das Internet-Medium hatte sich an die Spitze der Breaking News gesetzt. „Alle haben angerufen, auch renommierte Redaktionen, und haben gefragt: ,Seid ihr sicher?‘“, sagte TMZ-Chef und -Gründer Henry Levin. Für Levin eine fast ehrenrührige Frage. Denn bevor er auf Journalismus umsattelte, um für den kalifornischen CBS-Ableger über den aufsehenerregenden Mordprozess gegen Ex-Footballstar O. J. Simpson zu berichten, hatte er als Jurist seine ersten Sporen verdient.

Den Internet-Medien haftet der Ruf der Gerüchtebörse an, obwohl der „Drudge Report“ einst die Affäre Bill Clintons mit der Volontärin Monica Lewinsky enthüllte und sich „Huffington Post“ und „Politico“ inzwischen im politischen Bereich durch seriöse Analysen und Kommentare auszeichnen. Doch die Websites und Blogs, die sich in erster Linie um den Tagesablauf von Lindsay Lohan, Britney Spears, Paris Hilton oder Pamela Anderson drehen, sind dem Image der Internet-Medien nicht förderlich.

Quellen in ganz L. A.

Für tmz.com, das sich mittlerweile auch mit einer TV-Show etabliert hat, war es der größte Coup in seiner kaum vierjährigen Geschichte. Medienexperten sprechen vom Triumph der alten gegenüber den neuen Medien. Im Internet verbreitete sich die Nachricht rasant: Twitter, Facebook und Wikipedia verzeichneten Rekordeinträge. Nur die Wahl Barack Obamas hatte auf Twitter mehr Resonanz gefunden. Die Website tmz.com gab das Tempo im Todesdrama um den Popstar vor. Im Minutentakt veröffentlichte sie aktualisierte Versionen des Gesundheitszustands von Michael Jackson.

In zahllosen Anrufen haben Levin und seine Leute ihre Quellen in Los Angeles angezapft. Der erste Hinweis kam von der Notambulanz und der letzte von einem Kardiologen des UCLA Medical Center, dessen Notfallärzte vergeblich um eine Wiederbelebung des prominenten Patienten kämpften, der bereits bei seiner Einlieferung als tot galt. Bei der Polizei, in den Restaurants und Lokalen, in den Ärzte-Vorzimmern oder den Friseursalons: Überall in Los Angeles hat tmz.com Informanten sitzen, die der Redaktion gegen ein „Taschengeld“ – so Levin – Tipps zutragen. TMZ bezeichnet die „Thirty Mile Zone“, in der die Hollywood-Prominenz lebt – zwischen Malibu, Bel Air und Beverly Hills. Levin rühmt sich: „Wir sind total vernetzt in der Stadt.“

Gibsons antisemitische Tiraden

Gegründet als Tochterfirma der Time-Warner-Töchter Warner Bros. und AOL mit einem Jahresbudget von acht Millionen Dollar, hat sich tmz.com schnell als Umschlagplatz für Tratsch und Klatsch aus der Filmszene profiliert. So zerstörte die Website beinahe die Karriere von Mel Gibson, der nach einer Polizeikontrolle schwer alkoholisiert antisemitische Tiraden ausgestoßen hatte – im Filmbusiness haben ihm dies viele Bosse, Produzenten und Agenten bis heute nicht verziehen. Und Alec Baldwin wünschte TMZ-Chef Levin zur Hölle, als er einen Tonbandmitschnitt veröffentlichte, in dem er seine Tochter aus der Ehe mit Kim Basinger wüst beschimpfte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.06.2009)

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