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Rihanna: 27, erfolgreich und kein bisschen gut gelaunt

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FILES-FRANCE-JUSTICE-RIHANNA(c) APA/AFP/PATRICK KOVARIK
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Keine peppigen Dancehall-Beats, keine optimistischen Slogans: Auf Rihannas achtem Album „Anti“ hört man Zwischentöne, die ganz und gar untypisch für eine Chartstürmerin sind.

Man weiß nicht, was bedrohlicher ist für Rihanna: ihr Alter (am 20. Februar wird sie 28), in dem sich Kolleginnen wie Amy Winehouse und Janis Joplin schon aus dieser Welt verabschiedeten, oder der riesige Erfolg ihrer bisherigen sieben Alben. Auch für ihr achtes, „Anti“, wurde der Erfolg generalstabsmäßig geplant: Die südkoreanische Firma Samsung hat es vorab knapp über eine Million Mal eingekauft, um es dann auf der Streaming- Plattform Tidal gratis zum Download anzubieten. So erreichte es den unverzichtbaren Platinstatus. In der Folge kauften fast weitere fünf Millionen Fans dieses Album, das ein einziges Manifest des Missvergnügens ist.

Auf dem Cover ist nicht einmal die Songtitelliste, dafür können sensible Finger erhabene Punkte ausmachen, die sich als Botschaft in der Blindenschrift Braille entpuppen. „I sometimes fear that I am misunderstood“, steht da kryptisch, „not because people won't listen, but because I'm not heard.“

Was man hören könnte: Songs von ungewöhnlich verschlafener Anmutung, frei von den Dancehall-Beats, die frühere Alben aufpeppten. Der Opener „Consideration“ tändelt zwar noch mit einem verschleppten Reggae-Beat, danach wird es aber verrätselter. Rihanna inszeniert ihren seelischen Winter mit einer Fülle an Zwischentönen, die für heutige Chartstürmerinnen sehr ungewöhnlich ist. Auch „Love on the Brain“, ein melodienseliger Doo-Wop-Song, kündet nicht von allumfassender Harmonie. Die Unzufriedenheit mit der eigenen Liebesbesessenheit wird in einer Sadomaso-Metapher formuliert: „It beats me black and blue, but it fucks me so good, and I can't get enough.“ Dazu vibrieren Echos zart intonierender Backgroundsänger: „What you want from me?“

Was macht die grundsätzlich schlechte Laune dieses Albums aus? Vielleicht das tiefe Wissen, dass die Intensität der Jugend unwiederbringlich vorbei ist. Und keine noch so steile Karriere diesen Verlust ersetzen kann. Im Song „Consideration“ schildert Rihanna zuerst einen Höhenflug des Egos – „I came riding in on a pale white horse, handing out highs to less fortunate“ –, es folgt ein harter Dämpfer: „When I look outside my window, I can't get no peace of mind.“ Doch nein, man lernt nicht aus schlechter Erfahrung: Man ist dazu verdammt, immer im selben Auto zu verunglücken, wie es David Bowie in einer ähnlich pessimistischen Phase formuliert hat.

„Maybe fake's what I like“, sinniert Rihanna in der verschummerten R&B-Ballade „Same Ol' Mistakes“, über das Paradox, sich mit jedem Liebespartner brandneu zu fühlen und dabei unverdrossen in die alten Fallen zu tappen. Im drängenden „Higher“ fällt sie ihrem „distant lover“ mit der Tür ins Haus. Wenigstens nicht, ohne sich dessen bewusst zu sein: „I know, I could be more creative and come up with poetic lines.“ Die Stimme bricht, die Geigen kollabieren, und dann kommt die Message ohne Mascherl: „I just really need your ass with me.“

Die einsame Wölfin

Wenig überraschend verbirgt sich hinter Rihannas von Kraftausdrücken strotzender Lyrik ein weiches Mädchenherz. Dieses ringt auf „Anti“ mit menschlicher Enttäuschung und selbst verschuldeter Isolation: Songs aus einem von innen verschlossenen Käfig. „I can be a lone wolf“, singt sie ein wenig triumphierend in „Desperado“.

Die Verflossenen spuken manchmal noch in ihrem Kopf herum, ihre Gesichter aber verblassen bereits, etwa in „Never Ending“. Der Umgang mit den großen Affekten will gelernt sein. Das Fleisch boykottiert die Seele und umgekehrt. Rihanna hält aus, was Amy Winehouse in die Auflösung getrieben hat: das Wissen, dass man immer nur für kurze Momente erlöst werden kann.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.02.2016)

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