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Alles hängt richtig im Jazzmuseum

(c) APA/GEORG HOCHMUTH
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Wynton Marsalis und sein Lincoln Center Orchestra pflegten im Konzerthaus die Tradition.

Kann im Jazz noch etwas wirklich Neues kommen? Schon in den frühen Achtzigern zweifelten viele daran. Wynton Marsalis bestätigte sie: Er war der erste große Jazzer, der gar nicht daran dachte, Innovationen zu suchen, der sich programmatisch damit begnügte, die Tradition dieser großen afroamerikanischen Kunst zu pflegen.

Das tut er bis heute. Am konsequentesten mit seinem Lincoln Center Orchestra, bei dem sogar die Krawatten (grau bis silber) im Dienste eines gut geordneten Ganzen stehen. Alles natürlich erstklassige Ensemblemusiker und auch Solisten – die aber nie die (auch im akademischen Jazz noch gern gepflegte) romantische Illusion nähren, dass sie sich improvisierend selbst darstellen könnten. Nein, sie spielen Rollen, und das gut: Wenn etwa Saxofonist Sherman Irby in Dizzy Gillespies „Things to Come“ soliert, weiß er, dass er nun in der Nachfolge Charlie Parkers spielt, und lässt entsprechend die Bebop-Sechzehntel rasen. Oder Walter Blanding in Wayne Shorters „Contemplation“: Selbstverständlich wandelt er in Shorters Spuren.

So spazierte man durch die Jazzgeschichte, beginnend mit dem „Dead Man Blues“ aus dem alten New Orleans, in dem noch der Zweivierteltakt marschierte. Gleich darauf, quasi am anderen Ende des Spektrums, Charlie Mingus' „Self Portrait in Three Colors“, beständig cool.

„Mood Indigo“, „Dalí“, „Pollock“

Natürlich kam einiges von Gershwin: die „Rhapsody in Blue“, in der das Blech schön aus dem Nebel strahlte; „I Got Rhythm“ mit Trompeten-Stakkati, noch schärfer als die Bügelfalten der Musiker; „Summertime“, wo Victor Gaines am Sopransaxofon dann doch nicht nur „in the style of Sidney Bechet“ spielte, wie Marsalis angekündigt hatte. Als „Classic of Classics“ stellte er Ellingtons „Mood Indigo“ vor: Hier berührte das verhaltene Trio aus Posaune, Trompete und Klarinette.

Gar keine Eigenkompositionen? Doch. „The Bronx“ von Bassist Carlos Henriquez, mit Latin-Anklängen, wie man sie in den Fünfzigerjahren schätzte. Und zwei hübsch verquere, wenn auch nicht gerade surrealistische oder pointillistische Stücke von Saxofonist Ted Nash, „Dalí“ und „Pollock“. Das wäre in der E-Musik undenkbar: Dass einer heute nicht nur schreibt wie Mozart, sondern seine Stücke auch Malern aus dessen Zeit widmet. Im Jazz ist es völlig akzeptiert, und das ist gut so.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.02.2016)

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