London brennt, die Sicherheitsnadel nicht!

Malcolm McLaren
Malcolm McLaren (c) REUTERS (Reuters Photographer / Reuter)
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Der Sohn von Sex-Pistols-Manager Malcolm McLaren will seine Punksammlung öffentlich verbrennen.

Malcolm McLaren, Designer und Manager, vor allem der Sex Pistols, war eine der zwiespältigsten Figuren des Pop – und vielleicht der Erste, der Mythen zugleich konstruierte und dekonstruierte. In seinem Film „The Great Rock'n'Roll Swindle“ (1980) stellte er sich selbst als Erfinder der Sex Pistols vor, die er – unter Mithilfe seiner Partnerin, Vivienne Westwood – als Marionetten missbraucht habe.

Sex-Pistols-Sänger John Lydon vulgo Johnny Rotten hat das nicht erst in seiner Autobiografie „Anger Is an Energy“ dementiert und zugleich bestätigt: „Malcolm und Vivienne waren ein skrupelloses Paar, das mit unbedarften jungen Menschen wie uns völlig unverantwortlich umging“, sagte er etwa. Und klagte: Die Hosen mit den vielen Reißverschlüssen, die ihm Westwood geschneidert hatte, seien höchst unbequem gewesen.

Auch solche Image-muss-leiden-Kleider sind wohl im Besitz von Joseph Corré, Sohn von Westwood und McLaren und Gründer der Unterwäschefirma Agent Provocateur. Nicht mehr lang: Corré will seine Sammlung von Punk-Erinnerungsstücken, die angeblich über sechs Millionen Euro wert ist, verbrennen. „Rather than a movement for change, punk has become like a fucking museum piece or a tribute act“, erklärte er.

Das fällt ihm nicht zufällig heuer auf: Vor allem in Großbritannien wird 2016 der 40. Geburtstag des Punk zelebriert. Im November 1976 erschien die erste Single der Sex Pistols, „Anarchy in the U. K.“, im Mai 1977, rechtzeitig zum 25-Jahr-Jubiläum der Queen, folgte „God Save the Queen“, in dem ElizabethII. (auf dem Cover mit einer Sicherheitsnadel, dem Emblem des Punk, dargestellt) beschieden wurde, sie sei „no human being“. Darin fanden sich auch erstmals die Worte „no future“, die später so oft als nihilistisch missverstanden wurden. Bei den Sex Pistols hieß es klar: „There ain't no future for England's dreaming.“

39 Jahre später finden die Feierlichkeiten zu 40 Jahren Punk mit Unterstützung staatlicher Stellen statt, finanziert von der National Lottery – und unter den wohlwollenden Augen Ihrer Majestät. Ihr Segen zum Year of Punk sei „das Erschreckendste, was er je gehört habe“, sagt Corré. Und (er liebt wie sein Vater die Superlative) das Gefährlichste sei es, dass die Menschen aufgehört hätten, für das zu kämpfen, woran sie glauben. „We need to explode all the shit once more.“ Eben in Form einer öffentlichen Verbrennung von Punk-Memorabilien am 26. November in Camden, zu der Corré einlädt.

„London's burning“, sangen 1977 The Clash: „London's burning with boredom now!“ Ob sich dieser Song als Soundtrack zu Corrés Autodafé eignet? Eines wird man dort mit Sicherheit feststellen: Sicherheitsnadeln brennen nicht.

E-Mails an: thomas.kramar@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.03.2016)

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