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Prince: Letzte musikalische Obsessionen

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TOPSHOT-US-ENTERTAINMENT-MUSIC-PRINCE(c) APA/AFP/MARK RALSTON
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Prince (1958–2016). In zwei Wochen erscheint „HITnRUN Phase 2“ des am Donnerstag im Alter von 57 Jahren verstorbenen Prince auf CD. Das im Netz bereits erhältliche Werk lockt mit funky Sounds, innigen Seufzern und rarer Sozialkritik.

Armut, Drogenkriminalität und Verelendung – in Baltimore sind die sozialen Probleme vieler amerikanischer Städte am deutlichsten ausgeprägt. Kein Wunder, dass die brisante Fernsehserie „The Wire“ hier spielte. Der amerikanische Songwriter Randy Newman thematisierte die soziale Sprengkraft dieser Stadt auch schon in den Siebzigerjahren. „Oh, Baltimore, ain't it hard just to live“ hieß es im bitteren Refrain, den Ende der Siebzigerjahre sogar die gestrenge Politsängerin Nina Simone angestimmt hat.

Jahrzehnte später hat sich nichts zum Besseren verändert. In „Baltimore“ aus der Feder von Prince werden dieselben Probleme gewälzt. Das aufwühlende Lied, Opener zur 39. und letzten zu Lebzeiten (im Dezember 2015 im Netz) veröffentlichten Liedersammlung „HITnRUN Phase Two“, wird in zwei Wochen auf CD erscheinen. In Erinnerung an die namentlich genannten afroamerikanischen Opfer von Polizeigewalt, Freddie Gray und Michael Brown, fordert Prince ein neues Zeitalter der Liebe. „We're tired of the cryin' and people dyin', let's take all the guns away.“ Entlang einer glühenden Gitarrenmelodie wiederholen Prince und seine Ko-Sängerin Eryn Allen Kane leidenschaftlich die Quintessenz der Botschaft: „If there ain't no justice then there ain't no peace.“

Alte Liebe zum Rock 'n' Roll

Anders als die große Generation der Soulsänger der Siebzigerjahre, zu deren sozialkritischen Speerspitzen Curtis Mayfield und Gil Scott-Heron zählten, war Prince nur selten politisch explizit. Und dann oft sehr naiv, wie 1981, als er das an Ronald Reagan adressierte „Ronnie, Talk to Russia“ veröffentlichte. „Go to the zoo, but don't feed left wing guerillas who wanna blow up the world“ erhob er damals zwischen flirrenden Synthesizermotiven und quietschiger Gitarre seine warnende Stimme. Sein wohl prägnantestes sozialkritisches Statement wird „Sign o' the Times“ bleiben, Titelsong jenes Doppelalbums, das vielen als bestes musikalisches Statement der Achtzigerjahre gilt. Neben Armut und Aids geißelte Prince hier auch die Kriminalität von Straßengangs. „At home there are seventeen-year-old boys and their idea of fun is being in a gang called ,The Disciples‘, high on crack and totin' a machin gun.“

In der eigenen Jugend griff Prince zu rein musikalischen Waffen. Das lag nahe für den Sohn eines Hobbyjazzmusikers. Angetrieben vom ausgelassenen Funk eines James Brown, aber auch von den Rockekstasen eines Little Richard und Jimi Hendrix, verlor er sich bald in treibenden Grooves und scharfen Riffs. In „Rock and Roll Love Affair“ vom neuen Album reflektiert Prince diese alte Liebe zum Rock 'n' Roll – insbesondere dessen Wirkung auf die Damenwelt – nochmals. Seinem liebestollen Protagonisten unterschiebt er exakt jene Motive, die ihn einst selbst zum rastlosen Musiker werden ließen.
„He just wanted to hear her scream his name. Can you scream my name?“, singt Prince mit nicht wenig Schalk in der Stimme. Das andere Geschlecht in seinen Bann zu ziehen, das tat Prince in seiner langen Karriere mit so erstaunlichen Mitteln wie dem strategischen Aufweichen der sozialen Geschlechterrollen. Schon in den frühen Achtzigerjahren trat er in winzigen Slips samt Strapsen auf, schraubte seine Stimme mit natürlichen und technischen Mitteln in höchste Höhen. Seine Frauenverehrung führte bis an die Grenzen der Identifikation.

Belege dafür sind auch auf „HITnRUN Phase Two“ zu finden. Im Gros der Lieder verliert sich Prince im Zauber der Erotik. In „2Y2D“ feiert er die Schönheit einer jungen Dame, im von einem delikaten E-Piano veredelten „Look at Me, Look at U“ schwärmt er von zwischenmenschlichem Magnetismus. In „Stare“, einem ausgelassenen Partytrack, der stark an „Sexy Dancer“ erinnert, geht es ebenfalls um das Gaffen eines Erotisierten.

Romantische Umwege

Zuweilen zelebriert auch ein Erotomane wie Prince den Umweg über die Romantik. So in „When She Comes“, wo er dem Trieb Einhalt gebietet und dafür die Fantasie von der Leine lässt: „When she comes, a lemoncello ballet . . . a psychedelic cabaret in his mind“. Auch die Rolle des fantasiebegabten Lovers beherrscht Prince. Hitverdächtig ist „Xtraloveable“, ein Song, den er schon 1982 für Vanity 6 komponiert hat und der in die engere Auswahl für das famose „1999“-Album kam, aber dann doch nicht veröffentlicht wurde. Mit der elektrisierendsten seiner Stimmen schmust Prince hier sein Subjekt der Begierde an: „Baby, you got somethin' that would make a many hippies mighty proud, you got a dozen little sexy tricks.“
Abseits sexueller Obsession und mitfühlender Sozialkritik sind in diesem Vermächtnis auch Spuren hippiesken Idealismus und religiöser Sehnsucht zu entdecken. Aufgewachsen im geistigen Umfeld der Seventh-Day Adventist Church wechselte Prince 2001 auf Anraten der Funk-Bassisten-Legende Larry Graham zu den Zeugen Jehovas. Gemeinsam vazierten sie durch Beverley Hills und durch Princes Heimatstadt Minneapolis, um an fremde Türen zu klopfen. Anzunehmen, dass selbst abgebrühte Agnostiker da zu einem Exemplar des „Wachturms“ griffen.

Das Album

„HITnRUN Phase 2“
Obwohl ein bunter Mix aus gut abgelegenen Stücken und brandneuen Arbeiten, klingt das letzte Album sehr kohärent. „Xtraloveable“ und „When She Comes“ haben veritables Hitpotenzial.

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