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„Frauen machen die Welt bewohnbar“

„Ich habe ja einen gewissen Stil. Allein, dass ich ständig diese spezielle Mütze trage, beschäftigt viele“.
„Ich habe ja einen gewissen Stil. Allein, dass ich ständig diese spezielle Mütze trage, beschäftigt viele“.Universal
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Gregory Porter, der vor fünf Jahren sein Debütalbum präsentierte, hat eine Weltkarriere hingelegt. Nun erscheint sein viertes Album. Mit der „Presse“ sprach er über die politische Seite des Jazz.

Die Presse: Sie haben vorgestern Ihre ausgedehnte Großbritannien-Tournee mit größtem Erfolg abgeschlossen. Wie schaffen Sie es, dass Sie jeden Abend dermaßen glühend singen?

Gregory Porter: Einfach, indem ich mich auf das besinne, was mir wichtig ist. Der große Erfolg verpflichtet mich sogar noch mehr dazu, den Finger auf die Wunden unserer Welt zu halten. Auf „Take Me to the Alley“ reflektiere ich die immer weiter aufgehende Einkommensschere in der westlichen Welt, den institutionellen Rassismus der amerikanischen Polizei und natürlich auch die schwierige Lage in Syrien. Den Blick auf das soziale Ganze zu werfen, diese Haltung verdanke ich meiner verstorbenen Mutter. Ihr Geist ist in meinen Liedern präsent.

Sie hat Ihnen früh empfohlen, nur das zu singen, was Sie verstehen und empfinden können . . .

Das ist wohl der Rat, den ich am meisten beherzigt habe. Soul und Jazz können auch in unseren Tagen politisch sein. Ich wäge meine Worte wohl ab. Wenn ich kritisiere, will ich keinesfalls beleidigen. Das wäre kontraproduktiv.

Ist „More Than a Woman“ eine Hommage an Ihre Mutter?

Mehr als das. Meine Mutter war die Erste einer Reihe von Frauen, die Wundertaten an mir vollbracht haben. Zweifellos sind sie es, die die Welt bewohnbar machen.

Zwei Ihrer neuen Lieder sind Ihrem kleinen Sohn zugeeignet. Was entdecken Sie an ihm?

Ich bewundere ihn dafür, dass für ihn das Leben ein einziges, optimistisches Spiel ist. Diese Haltung möchte ich ihm bewahren, solange es geht. Die Probleme kommen früh genug. Meine Botschaft an ihn ist: „Don't lose your steam“.

Das Lied „Take Me to the Alley“ haben Sie anlässlich eines Papstbesuches in New York komponiert. Was finden Sie an Papst Franziskus inspirierend?

Mir hat imponiert, dass er Strafgefangenen die Füße gewaschen hat. Er hat Obdachlosen Essen ausgeteilt. Das waren Bilder von hoher Symbolkraft. Wir müssen mehr aufeinander schauen. Das sehe ich als seine Hauptbotschaft.

Vor einigen Wochen hat ein moslemischer Lehrer Bomben auf einem Spielplatz in Pakistan gezündet. Was treibt diese Leute an?

Das kann nur den Zweck haben, die Welt ins Chaos zu stürzen. Die Art, wie hier versucht wird, die Saat des Bösen zu sähen, schien mir schon vor Jahrhunderten überholt. Leider ist es nicht so. Als Künstler ist es meine Pflicht das Ideal des gegenseitigen Respekts zu promoten. Lieder wie „No Love Dying“ und „Take Me to the Alley“ sind meine Art, dem Terror etwas entgegenzusetzen.

Die vielen Stimmen für Donald Trump ängstigen. Wird er US-Präsident?

Ausgeschlossen. Es könnte sein, dass er sich die Skandalisierungsstrategien von der Entertainmentindustrie abgeschaut hat.

Als Sänger sind Sie ein Unzeitgemäßer. Ihr Soul und Ihr Jazz klingen wie aus den Siebzigern, und trotzdem begeistern Sie auch die Jugend. Remixes Ihrer Lieder sind sogar in Landdiscos zu hören. Macht das Druck?

Nein. Richtig oder falsch, ich bin immer nur ich. Gedanken darüber, ob ich den Erfolg von „Liquide Spirit“, das ja über eine Million Stück verkauft hat, noch übertreffen will, machte ich mir eigentlich nie. Ich hoffe, es klingt nicht eingebildet, aber das einzige Maß bin ich selbst. Wenn ein Lied für mich soulful ist, dann bin ich happy.

Abermals beweisen Sie Ihr Talent für eingängige Melodien. Etwa beim Song „In Fashion“. Haben Sie ein getrübtes Verhältnis zur Mode?

Nein. Ich hab ja selbst einen gewissen Stil. Allein, dass ich ständig diese spezielle Mütze trage, beschäftigt viele. „In Fashion“ handelt von jenen, die zu sehr von sich selbst begeistert sind. Natürlich singe ich aus Erfahrung. Ich war mit einer Dame liiert, die mehr von Selbstbespiegelung als von Liebe hielt. Facebook und Twitter sind die Lieblingsspielzeuge solcher Menschen.

ZUR PERSON

Gregory Porter, 1971 in Los Angeles geboren, wuchs im ländlichen Bakersfield auf. Er wurde erst Sänger, nachdem die Karriere als Footballer verletzungsbedingt scheiterte. 2011 nahm er sein Debütalbum „Water“ auf. Ein Millionenseller wurde „Liquid Soul“. Am 6. Mai erscheint „Take Me to the Alley“ (Blue Note).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.04.2016)

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