„Bedenke, ich bin nur eine Maschine“

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Können Roboter in einer alternden Gesellschaft eine Lösung für Probleme in der Pflege sein? Oder wären sie selbst eines? Darüber diskutierte die Bioethikkommission.

Angenommen, Sie sind 80 Jahre alt und gehbehindert. Was wäre Ihnen lieber? Soll Sie ein Mensch zur Toilette geleiten, Sie waschen, Handgriffe erledigen? Oder wäre es Ihnen lieber, Sie hätten einen nimmermüden Roboter an Ihrer Seite? Was fühlt sich autonomer an?

Derzeit sind solche Fragen Theorie. In der Praxis gibt es höchstens Henry. Der Serviceroboter kurvt als Teil eines EU-Forschungsprojekts durchs Haus der Barmherzigkeit. Da er keine Arme hat, sind seine Optionen eingeschränkt: Auf seinem Rücken befindet sich ein Touchpad, das die Bewohner des Pflegeheims über Wetter und Speiseplan informiert. Bei der Nordic-Walking-Gruppe für Demenzkranke spielt Henry Wanderlieder und fungiert als visueller Reiz. Science-Fiction ist das eher nicht.

Trotzdem entwickelt die Bioethikkommission – das Gremium, das den Bundeskanzler berät – nun ethische Grundlagen für den Einsatz von (teil-)autonomen Robotern in der Pflege. Der Hintergedanke: Bedenken und Bedürfnisse sollen früh in die Forschung einfließen. Montagnachmittag gab es dazu eine öffentliche Sitzung mit Experten. Neben allgemeinen Roboterfragen, wie man sie von der Debatte über selbstfahrende Autos kennt (Wie reagiert ein Roboter bei einem Dilemma? Wer haftet? etc.), gibt es beim Einsatz in der Pflege auch spezielle Probleme, etwa: Wie menschenähnlich dürfen Roboter aussehen? Zwar hilft ein humanoides Interface bei der Gesichtserkennung, weil Menschen automatisch in Augen blicken. Aber, so warnt Wirtschaftsinformatiker Oliver Bendel, der Mensch dürfe nie vergessen, dass er mit einer Maschine spricht. Er plädiert dafür, dass Roboter regelmäßig erinnern: „Bedenke, ich bin nur eine Maschine.“

Vielleicht aber ist das den künftigen Alten ohnehin klar. Die Generation Smartphone, argumentiert der Philosoph Mark Coeckelbergh, könnte technische Assistenz im Alter sogar einfordern. Ob das der Weisheit letzter Schluss ist, dessen ist sich Medienwissenschaftlerin Jutta Weber jedoch nicht so sicher. Sie warnt vor dem notorischen „technological fix“: Technologie würde typischerweise verwendet, um Symptome (bei der Pflege wären dies Einsamkeit, zu wenig Pflegekräfte in einer alternden Gesellschaft etc.) zu kontrollieren, statt über Ursachen und Alternativen nachzudenken.

Mensch-Maschine-Tandem

Und was sagen die Pfleger selbst? Sie sind Roboterkollegen gegenüber nicht abgeneigt. Sofern diese nicht Kerntätigkeiten gänzlich übernehmen würden, sagt Markus Wohlmannstetter von der Rudolfstiftung: „Durch intimen Kontakt wie beim Waschen entsteht erst das Vertrauen, das die Grundlage der Pflege ist.“ Dringlicher wäre für ihn Roboterhilfe bei der Bürokratie.

Dass es Pflege „ohne Humanfaktor“ nicht geben soll, darüber herrschte am Montag Einigkeit. Ein Ansatz wären Tandemmodelle: Sobald ein Roboter mit einem Patienten Körperkontakt hat, muss ein Mensch dabei sein. Was die Akzeptanz von maschineller Hilfe betrifft, sind die Senioren von heute aber vielleicht weiter als gedacht. Denise Hebesberger, die an der Akademie der Altersforschung des Hauses der Barmherzigkeit das Projekt „Henry“ leitet, war überrascht: „Der Großteil hat positiv reagiert.“ Nachsatz: „Solange Henry einwandfrei funktioniert hat.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.05.2016)

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