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Donaufestival: Mehr wild als kühn

 Durchsexualisierte feministische Raps: Die Band KlitClique provozierte auf gerade rührende Weise.
Durchsexualisierte feministische Raps: Die Band KlitClique provozierte auf gerade rührende Weise.(c) David Visnjic
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Das letzte von Tomas Zierhofer-Kin kuratierte Festival ging mit allzu wenigen Überraschungen zu Ende. Die Highlights waren Pantha Du Prince und DJ Koze.

Simplem Genuss zu misstrauen, hat seine Berechtigung. Die Menschen, die alljährlich zu den Musikveranstaltungen des Donaufestivals pilgern, hegen Träume von Selbstauflösung in tosendem Lärm, ja manche flehen geradezu nach der Peitsche der Atonalität.

Für Letztere war die auf Orgelsounds fußende Klanginstallation des Kanadiers Tim Hecker fast schon zu süßlich. Diffuses Lichtzittern und zähe Kunstnebelschwaden begleiteten dessen zierliche „Neo Metal Drones“ im Stadtsaal. Das Ganze war von erstaunlich sakraler Anmutung, dafür sorgte die dröhnende Kirchenorgel. Aus gutem Grund nennt Hecker dies „fake church music“. Der Künstler war unsichtbar, wie es die Liturgie vorschreibt. Star war einzig das hypnotisierende Gefühl herber Melancholie, in dieser Messe des Ungeborgenseins.

Um das Glück zu sehen, müsse man aus ihm heraustreten, befand Theodor Adorno in „Minima Moralia“. Das müsste noch mehr für das Unglück gelten, in das die gesellschaftlichen Verhältnisse zwingen. Das beim Donaufestival fröhliche Urstände feiernde Strenge-Kammer-Prinzip der Kunst wäre potenziell in der Lage, diesbezüglich Erkenntnisse zu liefern. Allerdings sind all diese liebevoll gepflegten Gesten der Subversion von der fördernden Hand eines Machtpolitikers wie Erwin Pröll abhängig. Für „die fundamentale Aufhebung des Normativen“, die Intendant Tomas Zierhofer-Kin von der Kunst fordert, sollte tunlichst nicht der materielle Schutzschirm herkömmlicher Politik in Anspruch genommen werden. Und falls doch, dann sollte das Wildern im Zeichenwald kühner ausfallen als an diesem letzten Abend des heurigen Donaufestivals.

Die KlitClique mit Judith Rohrmoser am Mikrofon provozierte auf geradezu rührende Weise. Umfangen von hübsch hupenden Old-School-Beats rappte sich Rohrmoser ein feministisches Paradies herbei, das lustvoll mit Ekelstrategien à la Charlotte Roches „Feuchtgebiete“ operierte. „Freestyle kommt mir aus dem Arschloch“, beteuerte sie da etwa. Das nahtlos an Rohrmosers durchsexualisierte Raps anschließende Kunstkollektiv Gelatin lud zu krawalligem Proletkult. Tosender Rülpelrock unter Einbeziehung des Publikums ergab am Ende eine wild dahineiernde, antibourgoise Karaokemaschine. Bastler und Borderliner, Dilettanten und Konsumenten – sie alle bildeten ein johlendes Kollektiv der Ratlosigkeit.

Glöckchensounds und Hauchen

Weiser wirkte Pantha Du Prince alias Hendrick Weber. Im Trio angetreten, präsentierte er sein neuestes Opus „The Triad“. Angetan mit silber glänzenden Masken, hinter denen sich verschwitzte Vollbärte verbargen, vergnügte das Trio zwar kompliziert, dafür beinah melodiös. Glöckchensounds, mysteriöses Hauchen, klobiges Herumhacken auf den Manualen – das weckte angenehme Erinnerungen an das Frühwerk des Moog-Synthesizer-Pioniers Klaus Schulze: Pantha Du Prince holte die Reize des Vergangenen in die Gegenwart und zelebrierte damit romantisch dunkles Seinsgefühl.

Auch das wild rappelnde DJ-Set des DJ Koze sorgte für kollektive Fidelität. Kess kokettierte Koze mit der Reizarmut technoider Beats, plusterte sie mit flirrenden Streichern und seltsamen Stimmsamples auf. „Das gibt's doch nicht!“, vermeinte man in Schleife zu hören. Vielleicht war es aber doch nur eine akustische Halluzination, die da unter den Sound- und Flackerlichtattacken passierte. Die Stimme des neapolitanischen Cantautore Enzo Avitabile war später um so deutlicher zu hören. Mit der ihm eigenen Sensibilität webte Koze dessen wehes „Amaro Nunn'Ess'a Màje“ hinein in den Fluss seiner kühlen Sounds.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.05.2016)

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