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Resch, renitent: Der Sound des Sauwalds

Archivbild.
Archivbild.(c) Inntöne
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Das Jazzfestival Inntöne feierte sein 30-jähriges Jubiläum mit einem beherzten Stilgebräu.

„The Sound of Sauwald“ nennt sich die liebevolle Filmdokumentation, die Paul Zauners Treiben als Jazzunternehmer seit 1986 beleuchtet. Seit 30 Jahren belebt er die hügelige Gegend zwischen Sigharting, Schloss Pram und dem mütterlichen Bauernhof in Diersbach mit mannigfaltigsten Jazzstilen, aber auch mit Blues, Afro, Soul und Funk, präsentiert dabei vorzugsweise hierzulande selten gesehene Künstler. So ließ er bereits 2010 den heutigen Weltstar Gregory Porter in Österreich debütieren.

Auch heuer schielte man in Diersbach nicht auf Kommerz. Kein Wunder, dass der Radiosender Ö1 alljährlich gierig aufs Aufnehmen der Inntöne ist. Das Spektrum reichte diesmal von begeistert aufgenommener Avantgarde (z. B. von Rom/Schaerer/Eberle) bis zu Klängen, die sich allein den Instinkten verdanken, wie den New-Orleans-Grooves von Jon Cleary. Die robust intonierende Agnes Heginger wagte sich u. a. mit Saxofonist Clemens Salesny auf gefährliches Terrain: Ihre beherzte Huldigung an den verstorbenen Harry Pepl war ein künstlerischer Hochseilakt, bei dem auch Fragmente von Aufnahmen Pepls eingespielt wurden. Nicht allen gefiel das. Und das war gut so. Wer die bald exaltierten, bald sehr reschen Sounds nicht goutieren konnte, auf den warteten als Kontrapunkt gleich danach die elastischen Rhythmen des ehemaligen Miles-Davis-Sideman Al Foster. Der Autodidakt, der wichtige Davis-Alben wie „On the Corner“ als Schlagzeuger mitprägte, verwöhnte mit entspannten Grooves und gleißenden Bläser-Einschüben.

Dramatisch: Ruthie Foster

Danach schlug die Stunde melancholischer Renitenz. Die amerikanische Soul- und Bluessängerin Ruthie Foster widmete sich dem jubilierenden Gospel von Sister Rosetta Tharpe genauso intensiv wie dem grüblerischen Countryblues von Lucinda Williams. In deren wehes „Fruits of My Labor“ webte sie gut abgehangenen Südstaatensoul: „Lemon trees don't make a sound, 'til branches bend and fruits fall to the ground“ lautete poetisch der Schlüsselsatz dieser Hymne auf Erneuerung. Andere Highlights: die innige Interpretation von Mavis Staples' „The Ghetto“ und eine butterweiche Lesart des Johnny-Cash-Klassikers „Ring of Fire“.

Am letzten Tag brillierte die Brasilianerin Dom La Nena mit einem Ein-Frau-Programm aus Poesie, Silbengesang und anheimelnden Celloklängen. Saxofonist Azar Lawrence, in den Siebzigerjahren Teil des McCoy Tyner Quartet, erwies seinem alten Dienstherrn glühende Reverenz. Die bittersüßen Klänge des hymnischen Spiritual Jazz reflektierte später noch das kauzige Trio aus Ali Haurand, Daniel Humair und Gerd Dudek: Seine kühn auffahrende Version von John Coltranes „Impressions“ war allein die Anreise in dieses entlegene Idyll wert.
Das sind die Inntöne auch: ein grandioses Institut für Gedächtniskunst.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.05.2016)

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