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Deutsches Verfassungsgericht erlaubt Sampling ohne Einverständnis

(c) Die Presse (Julia Stix)
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Seit mehr als zehn Jahren streitet der Produzent Moses Pelham mit den Elektropop-Pionieren Kraftwerk um einen Beat aus dem Song "Metall auf Metall". Nun errang er einen Etappensieg.

Im Streit um das sogenannte Sampling, also die Interpretation eines fremden Beats in neuem musikalischen Kontext, hat der Komponist und Produzent Moses Pelham vor dem deutschen Bundesverfassungsgericht einen Etappensieg errungen. Seine Verfassungsbeschwerde hatte Erfolg, der Fall muss neu entschieden werden, wurde am Dienstag in Karlsruhe verkündet. Pelham streitet seit mehr als einem Jahrzehnt mit den Elektropop-Pionieren Kraftwerk um einen zweisekündigen Beat.

Er hatte ihn 1997 ohne zu fragen aus dem Kraftwerk-Titel "Metall auf Metall" von 1977 kopiert und in Endlosschleife unter den mit der Rapperin Sabrina Setlur aufgenommenen Song "Nur mir" gelegt. Kraftwerk-Gründungsmitglied Ralf Hütter sieht sich dadurch um Teile seines künstlerischen Werkes gebracht.

Hütter hatte vor dem Bundesgerichtshof (BGH) in dem Verfahren um Unterlassung und Schadenersatz 2012 die Oberhand behalten. Der Setlur-Song darf derzeit in den beanstandeten Versionen nicht mehr vertrieben werden.

Musiker schlossen sich Klage an

Dagegen haben Pelham und Setlur Verfassungsklage eingelegt, denn Sampling ist vor allem in Rap und Hip-Hop üblich. Etliche Produzenten und Musiker haben sich angeschlossen, darunter die Sängerin Sarah Connor, der Rapper Bushido und der Reggae-Musiker Gentleman.

Sie alle streiten dafür, dass Sampling auch ohne ausdrückliche Genehmigung erlaubt bleibt. "Ich halte das für mein Recht", hatte Pelham in der Verhandlung im November gesagt. Ohne Sampling sei Hip-Hop überhaupt nicht möglich. Es gehe gerade um die künstlerische Auseinandersetzung mit dem Original.

Kunstfreiheit nicht genügend berücksichtigt

Der Bundesgerichtshof (BGH) muss den Fall nun noch einmal bewerten. Seine Urteile - zuletzt von 2012 - trügen der Kunstfreiheit nicht hinreichend Rechnung, sagte Vize-Gerichtspräsident Ferdinand Kirchhof in Karlsruhe. Er begründete die Entscheidung mit der Kürze der Sequenz. Daraus sei ein neues, eigenständiges Kunstwerk entstanden, ohne dass Kraftwerk dadurch wirtschaftlichen Schaden habe. Ein Verbot würde "die Schaffung von Musikstücken einer bestimmten Stilrichtung praktisch ausschließen", sagte er.

Die BGH-Richter waren der Ansicht, dass ein fremder Beat - und sei er noch so kurz - nur einfach kopiert werden darf, wenn er nicht gleichwertig nachgespielt werden kann. Dieses Kriterium halten die Verfassungsrichter für ungeeignet. Für die Benutzung müsse auch nicht unbedingt Geld fließen. Die Richter weisen aber darauf hin, dass der Gesetzgeber auch eine Bezahlpflicht einführen könnte. Außerdem schlagen sie dem BGH vor, den Fall dem Europäischen Gerichtshof vorzulegen, weil das Urheberrecht seit 2002 EU-weit harmonisiert ist.

Diese EU-Richtlinie berücksichtige die Interessen der Tonträgerhersteller eher als das deutsche Recht, sagte Kraftwerk-Anwalt Winterhoff. Insofern habe er durchaus Hoffnung, dass der BGH am Ende in Hütters Sinne entscheide. Sein Kollege Hermann Lindhorst betonte, dass Hütter den umstrittenen Beat vor langer Zeit "mit seiner Kreativität, mit seinem Einsatz, auch mit seinem Investment" entwickelt und eingespielt habe. "Er möchte diese Leistung auch berücksichtigt sehen."

"Wichtiges Urteil für Kunst"

Pelham zeigte sich im Gerichtssaal erleichtert über die Entscheidung des Verfassungsgerichts. "Ich glaube, dass es für die Fortentwicklung der Kunst ein sehr, sehr wichtiges Urteil ist", sagte er. Alle Menschen, die wie er Musik machten, bringe das einen großen Schritt weiter.

Hütter war zur Urteilsverkündung nicht nach Karlsruhe gekommen. Seine Anwälte zeigten sich aber zuversichtlich. "Aus unserer Sicht beginnt das Spiel nun von vorn", sagte Christian Winterhoff. Der BGH müsse den Fall nun noch einmal bewerten. Das Ergebnis bleibe abzuwarten.

(APA/dpa)

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