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Jan Delay: Immer schon Popschwein

Jan Delay
Jan Delay(c) EPA (ENNIO LEANZA)
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Der engagierte Musiker Jan Delay sprach mit der "Presse am Sonntag" über sein neues Album. Dabei erzählte er von "Schuhveganern", anstrengenden Frauen, Falcos Rapstil sowie Fußball und Politik.

Mit dem Genre Soul war in Deutschland in der Vergangenheit nicht viel Gold zu machen. Hat sich da was verändert?

Jan Delay: Die Grenzen zwischen den Genres sind um 2000 gefallen. In dem Moment, als Britney Spears über Neptunes-Beats sang, war alles neu und alles cool. Auf einmal gab es keine Berührungsängste und Barrieren mehr zwischen den Stilen. Seit damals können auch harte Hiphopper zugeben, dass sie auf schöne Soulballaden stehen.

Ihr zweites Album auf Basis von Funk- und Discobeats ist noch griffiger geraten...

Voll, das war auch das Ziel. Wenn man so etwas noch mal angeht, dann nur, weil man denkt, dass da qualitätsmäßig noch was drin ist. Bei den Aufnahmen zu „Mercedes Dance“ konnten wir unsere Ideen noch nicht optimal umsetzen. Doch nach über 200 Konzerten mit der Band ist die Maschine geölt: Wir können locker Sounds kreieren, die echt so klingen, als wären sie von Johnny Guitar Watson oder von Chic.

In „Kommando Bauchladen“ ironisieren Sie den Widerspruch zwischen Ihren sozialkritischen Texten und Ihrer Praxis. Warum?

Wer sagt, dass jemand, der Nike trägt, keine Kritik anbringen darf? DJ Mad von Absolute Beginner entgegnete früher gern: „He, Leute, wir sind keine Schuhveganer!“ Seine Moral zimmert sich der Mensch selbst zusammen. Ein paar „Bösmenschenaspekte“ dürfen meiner Ansicht nach bleiben. Man ist ja auch Genießer oder will manchmal dumm sein. Erst wenn Menschen alles hinnehmen und komplett gedankenlos konsumieren, kann man sie verurteilen.

Sie haben jahrelang nur gerappt. Wie kam es zur Entscheidung zu singen?

Das ging Mitte der Neunziger los. Ich war immer schon Popschwein, liebte die unterschiedlichste Musik. Hauptsache, die Melodie war gut. In meiner ärgsten Hiphop-Phase hörte ich Pharcyde, die hatten einen Rapper mit so 'nem Singsang, das hat mich voll geflasht. Bald darauf begann ich zu singen.

Was halten Sie von Falco, dessen blasierten Rapstil Sie im Lied „Abschussball“ zitieren?

Ich fand ihn voll gut. Vor allem die frühen Sachen, wo er sich Mühe gab, so zu klingen, als ob er aus New York käme. Eigentlich wollte ich ihn a cappella sampeln, weil ich alle meine Einflüsse irgendwie mal zitiere. Meine Verbindungen waren offensichtlich nicht gut genug. Oder niemand gab mir was, weil ich Piefke bin. Egal, jetzt hab ich ihn mir einfach selbst gemacht.

Das Album beginnt mit dem Titel „Showgeschäft“. Wie sehen Sie dieses im Lichte von Castingshows, die suggerieren, man müsse sich nur melden, wenn man Star sein will?

Die Leute, die seit Jahren über die roten Teppiche gehen, tun es aus gutem Grund: Weil sie die Besten in dem sind, was sie machen. Denn sie müssen es einfach tun, es ist in ihnen angelegt. Diese Castingshows produzieren doch nur Enttäuschungen. Am Ende tanzen die doch alle nur den „Axel Schulz“.

Sie wuchsen in einer linken Hippiekolonie auf. Da haben Sie sicher „Ton, Steine, Scherben“ gehört, Deutschlands radikalste Rockband ever. Wie fanden Sie die?

Fand ich gut, aber längst nicht so cool wie Udo Lindenberg, der ja auch im Hiphop-Kontext gute Figur macht. Ton, Steine, Scherben gingen barfuß, hatten lange Haare und waren schwul. Phrasen wie „Mach kaputt, was dich kaputt macht“ wirken auch heute. Mich persönlich berührt das Solowerk von Sänger Rio Reiser mehr.

Dennoch soll „Der Baader-Meinhof-Komplex“ eine Ihrer Lieblingslektüren sein.

Dass da Leute waren, die ihr Leben für Menschen von der anderen Seite der Welt in die Waagschale geworfen haben, fasziniert mich. Die Konsequenz, einen anderen Lebensentwurf zu haben und ihn unbedingt umsetzen zu wollen, hat mich krass umgehauen. Ich könnte das nicht. Dafür bin ich zu feige und zu egomäßig. Teile der RAF haben sich schuldig gemacht, weil sie gemordet haben, aber die Bewegung 2.Juni werde ich immer auf ein Podest stellen.

Paul Breitner, einst in der „Bild“ als Maoist bezeichnet, ist nun bei der CSU. Wie finden Sie das als politisch denkender Fußballfan?

Ich hasse den Spruch „Wenn du mit 20 kein Kommunist bist, dann hast du kein Herz, wenn du mit 60 noch immer einer bist, keinen Verstand“. Ich hoffe nur, dass mir so ein Schwenk ins Reaktionäre nicht passiert. Bei Fußballern war ich aber mehr auf Typen wie Klinsmann fixiert, der sich schon als 19-jähriger Bundesligastürmer zu den Grünen bekannte. Das imponierte mir.

Einer Ihrer neuen Songs ist „Little Miss Anstrengend“ betitelt. Was macht denn Frauen für Männer anstrengend?

Das Badezimmer und gewisse Äußerungen, die sie entweder „so nicht“, „ganz anders“ oder „überhaupt nicht“ hören wollten, aber provoziert haben. Meiner Erfahrung nach kann man es Frauen nie komplett recht machen.

Heutzutage müssen Männer ja so balzen, dass es nicht danach aussieht. Was tun Sie?

Ich bin eher schüchtern, mir hilft das Tanzen enorm. Wenn ich das nicht könnte, es wäre ein Fluch. Da müsste ich vielleicht an der Theke stehen und mit dem Autoschlüssel herumfuchteln.

Mein Ipod am Sonntag

Ohio Players
Mr. Mean

Chocolate Milk
Milky Way

Cameo
Word up

Earth Wind & Fire
All 'N All

Johnny Guitar Watson
Ain't That a Bitch

Bootsy Collins
Aah, the Name Is Bootsy, Baby

James Brown
Motherlode

Ramsey Lewis
Sun Goddess

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.08.2009)

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