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Pop im Zeichen des Axolotls: Wer will denn erwachsen werden?

Auch textil den Achtzigerjahren treu: Cyndi Lauper in der Wiener Staatsoper.
Auch textil den Achtzigerjahren treu: Cyndi Lauper in der Wiener Staatsoper. (c) AFP
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Mit „Girls Just Want to Have Fun“ hat Cyndi Lauper 1983 allen immerwährenden Mädchen eine Hymne geschenkt. 33 Jahre später sang sie in der Staatsoper auch ihre anderen Hits sowie einige alte Rockabilly-Nummern, teils mit Koffer, teils mit Steckenpferd.

Unter den Tieren, die sich als Wappentiere des Pop aufdrängen, ist der Axolotl vielleicht das possierlichste: Dieser Salamander mit Babyface bleibt immer Larve, auch nach der Geschlechtsreife. Er wird nie erwachsen. Ein Leben lang Bub respektive Mädchen, dieses Ideal durchzieht die Images der Popmusik, und man sollte nicht nur darüber lächeln: Ist nicht die Kultur überhaupt, ist nicht auch die Wissenschaft eine Verlängerung des kindlichen Spiels ins graue Erwachsenenalter?

Cyndi Lauper, die ihre Hits in der Mitte der Achtzigerjahre hatte, hat vielen Frauen, die damals auch kalendarisch jung waren, bis heute dabei geholfen, sich – zumindest auf Partys oder in anderen glücklichen Stunden – als immerwährende Mädchen zu fühlen. „Girls just want to have fun!“, rief sie zum ebenso emsig piepsenden Synthesizer, und wer hätte widersprochen? Nein, cool war und ist das nicht, aber muss man denn immer cool sein? Cyndi Lauper, inzwischen 63 Jahre alt, hat weiterhin keine Lust auf Coolness oder zur Schau gestelltes Erwachsensein. Mit einem herzigen Koffer kam sie daher, die Rastafari-Zöpfe von einem Barett bedeckt, und begann programmatisch mit einem Lied einer anderen ewigen Kindfrau, der Rockabilly-Königin Wanda Jackson: „Funnel of Love“. Ja, die Liebe ist ein seltsames Spiel, und sie kann auch wehtun: Von „heartaches by the number“ sang Lauper im gleichnamigen Ray-Price-Song: Am Tag, an dem man aufhört, die Herzschmerzen zu zählen, werde die Welt enden, heißt es darin. Bald folgte „The End of the World“, in dem die Welt endet, wenn die Liebe endet: Lauper sang das wie einst Skeeter Davis mit einer Mischung aus Koketterie und echter Empfindung, aber wer richtet über den Unterschied? Nur kokett war dann naturgemäß „I Want to Be a Cowboy's Sweetheart“, da kam sie auch passend mit Steckenpferd, da begann ihre Tändelei schon leicht zu nerven. Doch dann kamen wieder große Songs wie das schmerzliche „Time After Time“, „I Drove All Night“ oder, dem Andenken an Prince gewidmet, „When You Were Mine“, bei dem man in ihrer Version nicht weiß: Trauert sie über den Verlust des Geliebten oder erinnert sie sich an die Trauer über den Verlust eines Teddybären? Oder findet sie die eine Trauer in der anderen?

Eine solide Band mit etwas zu kräftig dreschendem Schlagzeuger begleitete sie durch diese Mädchenwelten von früher, noch früher und jetzt; der Mann an den Keyboards hatte sichtlich seine Freude daran, uns vor Ohren zu führen, dass man in den Achtzigerjahren die Klänge mit viel Zucker zu sich nahm. Zum Abschluss – vor dem ätherischen „True Colors“ als letzte Zugabe – natürlich eine ausgedehnte Version von „Girls Just Want to Have Fun“: Ihr kleiner Sohn habe sie einst aufgefordert, den Titel zu ändern, hatte sie einleitend erzählt, und so bemühten sich auch manche ältere Buben im Publikum, sichtbar Spaß zu haben. Im Zeichen des Axolotls sozusagen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.07.2016)

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