Pop

Mit Onkel Neil in den Ferien die Welt retten

(c) APA/DRAXLER HANNES
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Neil Young & The Promise of The Real zelebrierten intensiv auf Burg Clam das Brachiale und das Hauchzarte.

Das soziale Gefüge war ihm in seinem epischen Werk meist egal. In seiner Kunst ging es entweder um unergründliche Liebe oder die gefährdete Natur. Neil Young, der große Naive der Popmusik, wird längst als eine Art Heiliger verehrt. Einfach weil er standhaft die Ideale des Hippiezeitalters lebt. Zunächst trippelten Damen in Latzhosen mit Küberl und Gießkanne auf die Bühne. Lavendeltöpfe wurden mit unsichtbarem Wasser genetzt, der Boden mit Samen bestreut. Endlich drückte Young die Tasten eines altersschwachen Klaviers: „After The Goldrush“, seine düstere Zukunftsvision von 1970, drang ans Ohr. Die Erde ist verheert, der Aufbruch zu neuen Galaxien steht an.

Immer noch klingt Youngs Stimme wie ein Mix aus Zahnarztbohrer und verliebter Wespe. „They were flying Mother Nature's / Silver seed to a new home in the sun“, hieß es da. Graugrüne Augen blitzten stechend unter der Hutkrempe hervor.

Labsal für die ganze Erde

Nie hat Neil Young bloß Pflaster auf die Wundstellen der Gesellschaft gepickt, seine Agenda war es stets, gleich der ganzen Erde einen Verband anzulegen. „Earth“ stand auch auf seinem T-Shirt zu lesen. Die ersten vier Songs bestritt der Veteran solo. Darunter die mit Orgel und Mundharmonika vorgetragene Öko-Hymne „Oh Mother Earth“. „Respect Mother Earth and her healing ways or trade away our childrens days“, lautete deren schlichte Conclusio. „Earth“ heißt auch Youngs aktuelles Livealbum, das er mit der Band Promise of The Real realisiert hat. Mit ihr stand er auch auf der Bühne der Burg Clam: junge Menschen, zwei davon Söhne von Country-Star Willie Nelson, für die Young in Kindestagen Onkel Neil war. Auf die kuriosen Overdubs mit Tierstimmen von der Krähe bis zur Gans wurde zwar verzichtet, dafür entschädigte eine wunderbare Setlist.

Gleich die erste Nummer im vollen Sound-Ornat war eine Delikatesse. „Out on The Weekend“, Opener des legendären Albums „Harvest“, hat man in den vergangenen Jahrzehnten nie zu hören bekommen. Wohl weil sich Young seinen resignativen Grundton normalerweise live lieber verkneift. Die jungen Burschen, allen voran Lukas Nelson an der E-Gitarre und Corey McCormick am Bass, stürzten sich mit Feuereifer auf das hier verhandelte Thema der emotionalen Erschöpfung. Der Wechsel zwischen den Erzählebenen ist immer noch bestechend. In den Strophen reflektiert der Protagonist eine kaputte Beziehung anhand kleinster Objekte. Seine desperate Seelenlage wird im Refrain aus der Perspektive eines Dritten kommentiert. „See the lonely boy, out on the weekend, trying to make it pay. Can't relate to joy, he tries to speak and can't begin to say.“

Betörender Lärm und süßes Sentiment

Solch ein Nebeneinander von Intensität und Unbeteiligtheit gibt es nicht oft bei Young. Hell strahlten an diesem Abend Bekenntnisballaden wie „Only Love Can Break Your Heart“ und „Harvest Moon“. Auch Rares wie „Tumbleweed“, für das Young zur Ukulele griff, und „Someday“ überzeugten mit Beseeltheit. Mit Fortdauer des Konzerts stellte die Band höhere Anforderungen an Youngs Puls. Jetzt kamen die Highlights. Mit einem 6/8-Takt ging es hinein in eine magische Version von „Words (Between The Lines of Age)“, dieser schmerzlichen Ode auf das Gefühl der Entfremdung. Zum Klimax wurde „Love to Burn“, bei dem sich eine gefühlte halbe Stunde lang Lärm und süßes Sentiment auf unerklärlich gute Weise mischten. Nur unmerklich unter diesem Erregungslevel lagen „Revolution Blues“, „Alabama“ und „Mansion on The Hill“. Am Ende hallte das unvermeidliche „Keep on Rockin in The Free World“ über Flure und Wälder. Vor den Ruhm haben die Götter den Schweiß gesetzt, sagt ein altgriechisches Sprichwort. Keiner weiß das besser als Neil Young.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.07.2016)

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