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Trauerfeier im Sambarhythmus

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Das neunte Album des amerikanisch-venezolanischen Singer-Songwriters Devendra Banhart heißt "Ape in Pink Marble" und ist ein melancholisches Kaleidoskop an Stilen und Zitaten. Allzu Menschliches wird liebevoll getadelt.

Vielleicht sollte ich behaupten, ich hätte Vladimir Putins Sex-Schaukel, Jimmy Scotts Rollschuhe oder Michael Jordans Weltraumanzug.“ Scherzt Devendra Banhart, wenn man ihn auf Jim Morrisons Fauteuil anspricht. Das hat er sich vor wenigen Jahren, als er im bei Künstlern sehr angesagten Topango Canyon lebte, zugelegt. Derlei Relikten kann der zum Aberglauben neigende Banhart nämlich durchaus Zauber abgewinnen. Gerade auch, weil das Leben eine unzuverlässige Größe ist.

Bei nicht weniger als fünf Begräbnissen ihm Nahestehender war er im vorigen Jahr. Das hat sich auf sublime Weise auf die Lieder seines neunten Albums „Ape in Pink Marble“ ausgewirkt. Mit Ausnahme von zwei theatralen, an Frank Zappa erinnernde Songs dominiert melancholische Grundstimmung. Und das trotz einer Überfülle an leichtfüßigen Bossa-Nova- und Sambarhythmen. Die werden diesmal nicht nur von E-Piano und Gitarren transportiert, sondern auch vom japanischen Saiteninstrument Koto.

Brasilianische Musik, japanische Sounds

Die Verbindung von brasilianischer Musik und japanischen Sounds ist für Kenner gar nicht so exotisch. Immerhin lebt in Brasilien die größte japanische Community außerhalb des Mutterlands. Lieder wie „Theme for a Taiwanese Woman in Lime Green“ sind, blickt man hinter die fernöstliche Klangfassade, purer Samba. „Was waren wir doch arrogant. Besser wäre gewesen, das Album ,Trying and Failing to Tune a Koto‘ zu nennen“, versucht sich Banhart in Bescheidenheit. In Wahrheit war derart künstlerischer Diebstahl immer schon Herz seiner Kunst. Früher bediente er sich bei fragilen Folktexturen einer Vashti Bunyan und Linda Perhacs, vermischte den Gesangsduktus des britischen Glampopstars Marc Bolan mit jenem des intellektuellen Brasilianers Caetano Velose, dem Gründer des Tropicalia-Genres. Gern interpretiert er die Übernahme fremder Ideen dann als ultimative Hommage. Wie etwa im herrlich verschlafenen „Jon Lends a Hand“ an Jonathan Richman, einem der großen dauerhaft Naiven in der Popmusik.

Unschuld strahlen auch die meisten neuen Lieder Banharts ab. Die meditativen Synthesizer-Arpeggios in „Mourner's Dance“ erinnern trotz vordergründig orientalischer Anmutung stark an Angelo Badalamentis „Twin Peaks“-Thema. Dieses verhuschte Juwel von einem Song wurde durch die Vorstellung einer tänzerisch durchchoreografierten, stummen Trauerfeier inspiriert. Faszinierend, welch unwirkliche Ruhe von Banhart gerade in melancholischsten Momenten ausgeht. Ganz so, als hätte er die Gewissheit, dass es ein gutes Paralleluniversum gäbe, das die Grenzen zwischen Diesseits und Jenseits regelt und dem Tod die volle Wucht nimmt.

Zweites großes Thema auf „Ape in Pink Marble“ sind die Transformationen, zu der klassische Männlichkeit im Westen in den vergangenen Jahrzehnten gezwungen war. Die patscherte Verführungsszene in „Fig in Leather“ führt einen alternden Macho vor, der mit völlig untauglichen Mitteln versucht, ein Mädchen zu verführen. „I'm real high tech, authority, that's right, I'm quite an ace“, gibt er mit technischem Verständnis an. Für diese Angebernummer hat er sogar ein weißes Hemd angezogen. Das Lied klingt in Endlosschleife aus: „I will take time 'cause you're a lady“. Nichts ist veralteter als dieses gönnerhafte Verständnis für das archetypisch vorgestellte Weibliche. „Am Ende wacht er ein wenig auf. Er ist ein fieser Typ, der seinen Moment der Transzendenz erlebt“, nimmt Banhart den Playboy in Schutz. So brutal er mit seinen Protagonisten auch verfährt, am Ende liebt er sie als ihr Schöpfer doch.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.09.2016)

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