Pop

Clueso: „Man muss etwas riskieren“

„Die Raumfahrt hat mich schon in DDR-Zeiten interessiert“: Clueso über sein Lied „Gordo“.
„Die Raumfahrt hat mich schon in DDR-Zeiten interessiert“: Clueso über sein Lied „Gordo“.(c) Christoph Koestlin
  • Drucken

Clueso, Popstar mit DDR-Vergangenheit, ist mit „Neuanfang“ wieder auf Platz eins der deutschen Charts: ein Gespräch über Affen im Weltraum, Udo Lindenberg und seinen singenden Opa.

Band weg, Manager weg, Label weg – was hat Sie trotz größter Erfolge zum drastischen Neustart bewogen?

Clueso: Der Gitarrist, der eine sehr inspirierende Quelle für die Band war, ist ausgestiegen. Dann dreht man halt an Stellschrauben herum, um alles wieder ins Gleichgewicht zu bekommen, an Trennung denkt man, wie in Beziehungen, zunächst nicht. Aber dann kam der Wunsch in mir hoch, ein Album zu aus Liedern zu machen, die ich auf meinen Reisen in Hotels aufgenommen hatte.

Spielte für diese Zäsur auch eine Rolle, dass Sie 2014 mit Ihrem Album „Stadtrandlichter“ erstmals auf Platz eins der deutschen Charts kamen?

Nein. Zumindest nicht direkt. Aber man hat natürlich schon Verantwortung, wenn man mit Musikern 15 Jahre lang arbeitet. Die Idee, diesen Druck loszuwerden, war am Ende unwiderstehlich. Ich wusste, ich brauche das jetzt, um erwachsen zu werden.

„Gordo“, eines Ihrer neuen Lieder, erzählt von einem Äffchen, das 1958 von der Nasa auf Weltraummission geschickt wurde. Wie kamen Sie auf dieses hübsche Thema?

Ich bin ein großer Fan von David Bowie, und ich hatte ein paar Akkorde, die mich an sein „Space Oddity“ erinnerten. Schon zu DDR-Zeiten habe ich mich sehr für Raumfahrt interessiert. Juri Gagarin sagte ja einmal: „Es wird sich weisen, ob ich der erste Mensch im Weltall bin oder der letzte Hund.“ Die Russen schossen Hunde in den Orbit, die Amerikaner Affen.

Aber keine Schimpansen, wie bei Ihnen.

In Wirklichkeit war es ein Totenkopfäffchen. Ich habe einen Schimpansen daraus gemacht, weil ich dessen Geräusche besser nachahmen kann. Gordo schaffte es nicht, wieder lebend auf die Erde zu kommen. Aber die Amerikaner haben wenigstens versucht, ihre Tiere heil zurückzubekommen.

„Ich erzähle Geschichten, die erfunden, aber nicht gelogen sind“, singen Sie in „Sorgenfrei“. Wie ist bei Ihnen das Verhältnis zwischen Fiktion und Bekenntnis?

Ich glaube, es war Max Goldt, der einmal meinte, dass er Pullunder hasst und keine Stehlampe hat, aber kein Problem damit hätte, eine Geschichte über ihn selbst damit zu beginnen, dass er in einem Pullunder unter einer Stehlampe sitzt. Oft beginne ich autobiografisch und bewege mich dann ins Fiktive, weil die Emotion so besser funktioniert. Man muss als Schreiber schon etwas riskieren, sich den Brustkorb aufreißen und vielleicht eine Infektion holen. Aber der Raum muss nicht ausgestattet sein wie in der Realität.

Hat Ihr Songwriting amtliche Abläufe?

Leider nicht. Was ich aber gern mache, ist, ein Lied um einen Satz herumzuschreiben, den ich am Ende wieder herausnehme. Die Melodien fliegen mir zu, an den Worten tüftle ich länger.

Tragen Sie noch etwas von Ihrer DDR-Sozialisierung in sich?

Wenn Menschen etwas Gemeinsames haben, führt das schneller zusammen. In der DDR hatten halt alle Kids die gleiche Brotbüchse. Das Butterbrotpapier war das Gleiche und auch die Anziehsachen. Im Hochhaus meiner Oma kannten sich alle. Das war wichtig, denn einer hatte die Schaufel, der andere die Säge. So kam man zusammen. Und es gibt Gerüche, nach denen ich noch manchmal Sehnsucht habe.

Haben Sie auch negative Erinnerungen?

Nein. Als Kind kriegt man das mit der Stasi ja nicht mit. Mein Opa war Musiker, er hatte arge Probleme. Er hat viel in Bars und Kneipen gespielt. Arbeiterlieder mit einem speziellen Twist. Ich habe gerade ganz privat ein Album mit Opa eingespielt. Klingt ein wenig wie Johnny Cash. Jetzt betteln mich alle an, es herauszubringen. Mal sehen . . .

Sie haben mit Udo Lindenberg gesungen. War er in Ihrer Jugend wichtig für Sie?

Natürlich. Mein Vater war ein großer Fan. Er hat sich sogar eine Feuerwehrmannkutte besorgt, um nach einem Konzert mit Udo plaudern zu können.

Die deutsche Popmusikszene ist von netten Jungs um die dreißig beherrscht. Fehlt da nicht ein wenig die Rebellion?

Die Rebellion gibt es, aber nicht in den oberen Chartbereichen. Leute wie ich sind politisch aktiv, aber nicht in der Musik. Es ist nicht mehr wie zu Zeiten Rio Reisers, in denen man Veränderung herbeisingen will. Zuletzt fehlten auch die Gegner. Mit Donald Trump und AfD-Mann Björn Höcke gibt es sie jetzt wieder. Dennoch gilt: Politische Losungen nutzen sich heutzutage rasch ab. 

Steckbrief

1980. Geb. als Thomas Hübner in der DDR.

1995. Beginnt zunächst als Rapper. Der Name Clueso ist vom Inspektor aus „Der rosarote Panther“ inspiriert.

2008. Album „So sehr dabei“. Platz drei der deutschen Charts.

2014. Platz eins mit „Stadtrandlichter“.

2015. Löst Band auf.

2016.
Wieder Platz eins mit „Neuanfang“.

2017. Gastiert u.a. am 5.8.,Wiener Arena. In der neuen Band sind zwei Österreicher: Marlene Lacherstorfer, René Mühlberger (beide von Velojet).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.02.2017)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.