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Beyoncé als unsere liebe Frau

Beyonce performs at the 59th Annual Grammy Awards in Los Angeles
Beyonce performs at the 59th Annual Grammy Awards in Los Angeles(c) REUTERS (LUCY NICHOLSON)
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Bei der 59. Grammy-Verleihung gewann die britische Balladensängerin Adele fünf Awards. Königin der Herzen war aber R&B-Halbgöttin Beyoncé.

Das über ihrem Kopf nach oben flatternde, sandgelbe Seidentuch wirkte, als hätte Beyoncé aus einer Laune heraus die Erdanziehungskraft aufgehoben. Ihre männlichen Fans meinen sowieso schon länger, dass die Flüsse bergauf fließen, wenn sie mit ihrem Hintern wackelt. Aber anders als beim Super Bowl 2016, wo sie sich sexy und politisch gab, zelebrierte Beyoncé an diesem Abend sehr würdig Mutterschaft, Familie und Feminismus. An der unruhigen Grenze zwischen Licht und Dunkelheit – sehr wichtig bei Inszenierungen von Stars! – erschien sie mit güldenem Kopfschmuck, der dem Lichtstrahlenkranz einer katholischen Madonna nachempfunden war. Mit gemessenen Bewegungen sang sie ein beseeltes Medley aus „Love Drought“ und „Sandcastles“, zwei weniger bekannten Liedern ihres genialen, zu wenig gewürdigten Albums „Lemonade“. Das Schlusstableau wirkte wie eine weibliche Version von Leonardo da Vincis „Abendmahl“: Umgeben von Frauen, kippte Beyoncé am Ende mit ihrem Stuhl nach hinten und enthüllte so ihren prallen Babybauch.

„Unserer Geschichte eine Stimme“

In ihrer Dankesrede für Preise in eher unbedeutenden Kategorien (Best Urban Contemporary Album, Best Music Video) betonte sie, dass es ihre Intention war, „unserem Leid, unseren Kämpfen, unserer Dunkelheit und unserer Geschichte eine Stimme zu geben“. Sie wünsche sich, dass jedes Kind, egal welcher Rasse und Herkunft, das Gefühl vermittelt bekommt, es sei „schön, intelligent und fähig“. Das sorgte für Begeisterung im Saal. Auch bei der britischen Sängerin Adele, die 2012 sechs Grammys gewonnen hatte, heuer wurden es fünf. Darunter der wichtigste: für das „Album des Jahres“.

Adele brach einen Grammy entzwei

Eigentlich habe Beyoncé diesen Preis verdient, meinte Adele (zu Recht), in Tränen aufgelöst. Diese Szene erinnerte an die Verleihung von 1973. Damals hatte die siegreiche Aretha Franklin ihren Grammy an die Kollegin Esther Phillips weitergereicht. Adele brach ihre Trophäe entzwei, wollte die Hälfte an Beyoncé weitergeben. Sie wirkte manisch und verzweifelt zugleich, setzte eine Miene nach der anderen auf. Später brach sie grundlos mitten in einem Song ab, in einem Tribute an George Michael. Im zweiten Versuch glückte dann die Umwandlung der im Original so zart pulsierenden Tanznummer in eine Powerballade à la Adele.

Neben George Michael wurden natürlich auch andere der vielen prominenten Verstorbenen des Jahres 2016 geehrt. David Bowie, der sich zu Lebzeiten mit einem Grammy bescheiden musste, wurden für sein düsteres Werk „Blackstar“ fünf ins Grab nachgeworfen; Prince wurde von Morris Day und Bruno Mars mit einer glühenden Hommage bedacht. Nur mit einem Bild erinnerte man an Leonard Cohen. Ihn hatte Gospelsängerin Jennifer Hudson mit einem stimmgewaltigen „Hallelujah“ wenigstens bei der Prä-Grammy-Party von Musikmogul Clive Davis geehrt. Was hätte sich dieser Entdecker von zahlreichen späteren Weltstars wohl gedacht, als Chance the Rapper drei Preise zugesprochen bekam? Der als Chancelor Bennett geborene, von Kanye West geförderte Wortakrobat aus Chicago lehnt es nämlich ab, Alben in herkömmlicher Manier zu veröffentlichen. Das sei nicht mehr zeitgemäß, meint er. Er verschenkt lieber seine Musik im Internet und lebt von Liveauftritten und Modelinien, die er entwirft. Eine einigermaßen exzentrische Entscheidung der Musikindustrie, diesen ihr Fundament untergrabenden Künstler auszuzeichnen!

Trump als „President Agent Orange“

Über weite Strecken verlief die 59. Grammy Gala, sehr sympathisch moderiert vom Briten James Corden – aus dem Fernsehen bekannt für sein „Carpool Karaoke“, in dem er mit Stars im Auto singt – recht unpolitisch. Ausnahme waren die Hip-Hop-Veteranen A Tribe Called Quest. Verstärkt durch Andersoon Paak und Busta Rhymes servierten die New Yorker, die 2016 mit dem Album „We Got It from Here . . . Thank You 4 Your Service“ ein grandioses Comeback feiern durften, harte Kost. Vor allem die wütende Performance von „We The People“, das sich schon gegen die minderheitenfeindliche Politik Donald Trumps wandte, als dieser noch gar nicht Präsident war, sorgte für Jubel. Black-Panther-Gruß, zahlreiche mexikanische und muslimische Frauen auf der Bühne und die Trump-Schmähung „President Agent Orange“ (nach dem im Vietnam-Krieg eingesetzten Kampfstoff) durch Rapper Busta Rhymes: Der tosende Applaus machte unmissverständlich, dass dieser Präsident unter Musikern wenige Freunde hat.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.02.2017)

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