Pop

Autotune und das dunkle Herz der Stille

Lambchop aus Nashville meditierten im Wiener WUK über Verschattetes und Missglücktes.

Bitte nicht so laut! Bitte nicht so schnell! Bitte nicht zuviel! Oft muss man heutzutage flehen, von der Flut von Eindrücken verschont zu bleiben. Nicht bei Lambchop, der weltbesten Band punkto Eindämmung der Welt. Niemand lockt so zauberisch ins dunkle Herz der Stille wie sie. Lambchop zelebrieren das Introvertierte, das Fragmentarische, das Missglückte. Sie sind Meister der Andeutung. Und so ist ihre Musik auch eine Schule des Hörens, die lehrt, im Kopf zu vollenden, was zart angespielt wird.

Diesmal war die Spannung um so höher, als Mastermind Kurt Wagner, der auf seinen Baseballmützen stets für landwirtschaftliche Kooperativen wirbt, auf dem aktuellen Album „Flotus“ eine neue Art des Singens für sich entdeckt hat. Er verfremdet seine Stimme mit dem modischen, in den Hitparaden omnipräsenten Autotune-Effekt. Die Maschine, die das leistet, hatte er in einem speckigen Aktenkoffer auf einem Barhocker platziert. Mit der linken Hand bediente er den empfindlichen Hebel, während er mit der Rechten über Gitarrensaiten strich.

Wortkarg auch zwischen den Songs

Selten hört man live so anmutige Stimmverfremdung wie im Opener „NIV“: ein Hauchen, ein Blubbern, eine zarte Vokaldehnung – in diesen Sounds wollten viele gleich wohnen. Produziert wurden sie von einem Quartett, darunter Pianist Tony Crow. Er gab den leutseligen Sidekick, erzählte frohgemut Witze über Peanuts und Penisse, während Wagner wortkarg wie in seiner Songlyrik blieb. „Hey, people come and people go, and I talk too much“ lautet eine Zeile in „JFK“. Trotzdem lauerte ab und zu eine gesellschaftspolitische Punchline, etwa „We must build a culture of understanding“, was er mit kunstvoll verklingender Stimme intonierte. Anmutig lockte er in „Flotus“ in eine Kindheit, in der Verhalten noch nicht von Mustern geprägt war. „We've taken a lot of turns, girl“ seufzte er.

In älteren Songs wie „Gone Tomorrow“ und „The New Cobweb Summer“ vergaß Wagner sogar auf sein neues Spielzeug, kiekste und gluckste wie zu seiner besten Falsettstimmenzeit. Etwas ganz Besonderes: „The Hustle“, zeitlupenlangsame Erinnerung an einen u. a. von James Brown propagierten Modetanz der Siebzigerjahre. Zur Zugabe hauchte Wagner den Prince-Schmachtfetzen „When You Were Mine“. Das Meditieren über dessen Nachklang beschien dann schon eine milde, müde Sonne: das Saallicht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.02.2017)

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