Thievery Corporation: Politik der eleganten Sounds

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Das Duo Thievery Corporation adressiert Missstände mit noblem Downbeat. Bald auch in Wien.

Mehr als zwanzig Jahre ist es nun schon her, dass sich die musikbegeisterten DJs Rob Garza und Eric Hilton in der Washingtoner Eighteenth Street Lounge getroffen und über ein gemeinsames Musikprojekt gesprochen haben. 1995 gründeten sie das Duo Thievery Corporation, das es sich auf seine Fahnen schrieb, den elegantesten Downbeat zu kreieren, den die Welt jemals gehört hat. Das glückte in vollkommener Weise. Mit ihrem Debütalbum „Sounds from the Thievery Hi-Fi“, das Klassiker wie „A Warning“ und „Shaolin Satellite“ vorstellte, begann eine musikalische Reise, die in der elektronischen Musik ihresgleichen sucht.

Nicht nur haben sich die beiden Schallplattenaficionados über die Jahre zu ausgezeichneten Musikern entwickelt, sie verstehen es auch, eleganteste Clubsounds mit gesellschaftspolitischer Kritik zu verbinden. Ihr eben erschienenes achtes Album „The Temple of I & I“ haben sie auf Jamaika aufgenommen, jener karibischen Insel, die uns in den Siebzigerjahren das Genre Dub geschenkt hat, das bis heute wirkmächtig in die Welt der elektronischen Tanzmusik strahlt. Unter den eingesetzten Vokalisten sind den Fans vertraute Namen wie Lou Lou Ghelichkhani und Mr. Lif. Letzterer, ein Rapper aus Boston, reimt in „Fight to Survive“ Kantiges über den täglichen Überlebenskampf in der Dritten Welt und entwirft eine wortgewaltige „Ghetto Matrix“.

Thievery Corporation sind ein Musikkombinat mit sozialem Gewissen. Die iranischstämmige, seit dem zweiten Album, „Mirror Conspiracy“, bei dem Duo singende Lou Lou Ghelichkhani setzt sich, wie die beiden Protagonisten selbst, intensiv für das World Food Programme der Vereinten Nationen ein. Wie hat das Leben in Washington die Sicht der beiden auf die Politik verändert? „Wir sahen eine Menge Freunde, die sehr idealistisch in die Politik gingen, um nach wenigen Jahren entdecken zu müssen, dass sie doch nur winzige Zahnrädchen in einer mächtigen Maschine sind. Selbst als Präsident kann man die tollsten Ideen haben, ohne sie realisieren zu können, weil die Lobbys und das Big Money es zu verhindern wissen“, sagt Rob Garza, der Mann mit dem Bärtchen. „Wie das große Geld die Politik beeinflusst, ist vielleicht die wichtigste Frage, mit der sich die amerikanische Demokratie auseinandersetzen muss. Sehr bedenklich war auch, wie sich die Medien vor Beginn des Irak-Kriegs instrumentalisieren ließen und Stimmung für einen militärischen Einsatz machten.“

„Wir sind Internationalisten.“ Trotz solch schwer veränderbarer Zustände adressieren Thievery Corporation unverdrossen politische und soziale Missstände. Manchmal verfassen die beiden die Texte selbst, meist aber stammen sie von den gleich gesinnten Vokalisten. „Musik ist wohl die mächtigste Form von Kommunikation“, sagt Garza. „Natürlich muss man ihr nicht ständig politische und soziale Kommentare mitschicken. Aber jeder Song sollte den Geist und das Gefühl der Gegenwart atmen. Eric und ich sind stark beeinflusst von Musikern, die etwas zu sagen hatten: The Clash, Public Enemy, Bob Marley, Fugazi. Wir schätzen auch die völkerverbindenden Möglichkeiten von Musik. Unsere Vokalisten stammen aus dem Iran, aus Argentinien und Jamaika. Wir sind Internationalisten.“

Die isolationistische Politik, die Donald Trump favorisiert, ist so ziemlich das Gegenteil dessen, was Thievery Corporation praktizieren. Mit ihrer Musik, die klanglich eine wunderbare Noblesse abstrahlt, wollen sie durchaus gesellschaftlich wirken. Immer wieder schaffen sie das Kunststück, schiefen gesellschaftlichen Verhältnissen gleichzeitig subversiv und affirmativ zu begegnen. Und das Wunder daran? Kaum jemand macht ihnen einen Vorwurf daraus, aus der duftigen Wärme der Salons die soziale Kälte der kapitalistischen Welt anzuprangern.

Musikalische Feldforschung. Zu ihren wichtigsten Kompositionen zählt der Song „Culture of Fear“, der 2011 auf dem gleichnamigen Album veröffentlicht wurde und sich vehement gegen die Gefahr eines Überwachungsstaats wendet. „They’re telling us terrorists are about to strike, maybe tonight, right. Let me just back up slowly with critical analysis of those who control me“, heißt es darin etwa aus dem Mund des Rappers Mr. Lif. Sein Befund macht Angst: „Seems to me like they want us to be afraid, man. Or maybe we just like being afraid. Maybe we just used so to it at this point that it’s just part of us, part of our culture.“

„Wir wollen niemandem aufdrängen, was er zu denken hat. Was wir aber wollen, ist, Denkprozesse in Gang zu setzen“, meinte Garza nach dem Anschlag im Pariser Poptempel Bataclan. „Niemand sollte in Panik geraten. Ich habe jüngst gelesen, dass die Gefahr, dass man bei einem Terroranschlag ums Leben kommt, weitaus geringer ist, als durch Möbel im eigenen Zuhause erschlagen zu werden.“ Die Bedrohung durch einen Haushaltsunfall ist bei Thievery Corporation umso geringer, als sie gern musikalische Feldforschung in fernen Ländern betreiben. Für ihr 2014 erschienenes Album „Saudade“ forschten sie intensiv im Dschungel brasilianischer Genres. Für die neue, 15 Songs umfassende Liedersammlung verschanzte sich das Duo sechs Wochen lang in einem Studio in Port Antonio, einem Teil von Jamaika, den Touristen meiden: „Wir wollten total ins dortige Lokalkolorit eintauchen, suchten den originalen Jamaika-Groove.“ Entspannte Stücke wie „Strike the Root“ zeigen, wie gut ihnen das glückte. Den schönen Albumtitel ersann Eric Hilton. Das „I & I“ darin ist übrigens ein Ausdruck aus der Religion der Rastafari. Es löst aus Gründen der Wertschätzung den Abstand zwischen dem Ich und dem Du auf. „Was für noble, sprachliche Operation!“, schwärmt Garza.

Mit dem Album gelang abermals ein analog-digitales Patchwork von Moderne und klassischer Siebzigerjahrekultur. Mit Akribie frönten Thievery Corporation der Lust, steinalte Grooves so umzuformulieren, dass sie gleichermaßen in noblen Lounges und in abgeschundenen Clubs ihre beseligende Wirkung entfalten können. Die Zusammenarbeit der Masterminds hat sich über die Jahrzehnte nicht verändert. Beide spielen mehrere Instrumente, aber keines davon virtuos. „Wir sind super darin, Soundideen zu haben und uns Songs auszudenken. Wir funktionieren das Mischpult, ja das gesamte Studio zu unserem Instrument um. Das ist unsere Stärke.“

Tipp

Thievery Corporation. Album: „The Temple of I & I“ (Rough Trade Records). Konzert: Wiener Konzerthaus, 26. 2., 21 Uhr.
konzerthaus.at

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