Pop

Der Stimme ganz nah

(C) Domino
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Wundersam, verwirrend: Julia Holters „In the Same Room“.

W ie viele Versionen braucht ein Musikstück? Welches ist die endgültige, wann ist ein Lied fertig – vor allen Dingen: Wie viele Variationen braucht die Welt? Das stets verlässliche englische Label Domino Records, Heimat von solch unterschiedlichen Musikern wie den Weirdo-Poppern Animal Collective, den Garagen-Rockern The Kills oder Neo-Soulboy Blood Orange, geht diesen Fragen auf den Grund. Im Rahmen einer neuen Veröffentlichungsreihe namens Domino Documents, die wohl eine eher sehr spitze Zielgruppe ansprechen wird, sollen Künstlerinnen und Künstler in nur zwei Tagen Aufnahmezeit in einem Studio unter Live-Bedingungen Ausschnitte des eigenen Werkkatalogs neu interpretieren, angelehnt an die legendären Peel-Sessions von Radio-Ikone John Peel. Mit der kalifornischen Musikerin Julia Holter hat man da eine mehr als geeignete Künstlerin gefunden, um diese doch recht spezielle Unternehmung auf den Weg zu bringen. Julia Holter ist eine der spannendsten und eigenwilligsten Musikerinnen der vergangenen zehn Jahre, musikalisch tatsächlich zwischen allen Trends und Welten daheim. Vier reguläre Alben hat sie bislang veröffentlicht und dabei beachtliche Entwicklungen durchgemacht, unterschiedlichstes Terrain abgegrast – und ist dabei doch unverkennbar immer Julia Holter geblieben. Ihre ersten beiden Platten widmeten sich weitgehend Lo-Fi-Dreampop aus dem Schlafzimmerstudio, verhalltem Folk aus dem Billig-Keyboard. Gern elektronisch, vernebelt, esoterisch angehaucht, gern im Segment „Kate Bush“ zu Hause. Auf ihren jüngsten beiden Platten wurde Holter dann zunehmend akustischer, analoger: Hier gab es wundersame, verwirrende Lieder, üppiger orchestriert, zwischen New-Wave-Operette und angejazztem Kunstlied im Andenken an Joni Mitchell.

Karg, doch voller Leben. Aus diesen beiden Platten speist sich nun auch die neue Aufnahme vornehmlich: „In the Same Room“ nennt sich das Album, und das ist auch schon ein sehr richtiger, passender Titel. Die Stärke dieser Platte ist das Vermitteln von Intimität. Wir stehen mit Julia Holter im Aufnahmestudio. Klar dringt ihre Stimme an unser Ohr, begleitet von Klavier oder Cembalo, Viola, Bass und Percussion. Es sind karge, spröde Versionen, dabei doch dynamisch und voller Leben. „In the Same Room“ von Julia Holter leistet alles, was derlei Unterfangen leisten kann: Dem Fan und Kenner liefert diese Platte neue Einsichten und überraschende Details, für Neueinsteiger ist sie idealer, zugänglicher Einstiegspunkt. Und, es ist wahr: magisch.

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