Trost für traurige Individualisten und Individualistinnen bietet „Ja, eh! Beisl, Bier und Bachmannpreis“ im Rabenhoftheater, eine Fusion von Literatur und Mundart-Pop von Stefanie Sargnagel mit Voodoo Jürgens.
„Du musst dein Leben ändern“, heißt ein tiefgründiger Essay des Philosophen Peter Sloterdijk. Doch wohin führt es, wenn man sich permanent selbst verbessert, zum Frust. Als Phänomen aus der Sub-und Jugendkultur wird Stefanie Sargnagel wahrgenommen. Tatsächlich hat sie recht hoch oben begonnen und bei Sampling-Meister Daniel Richter an der Kunstakademie studiert. In Sargnagels farbenfrohen lautmalerischen Texten mischt sich das Krasse mit dem Banalen zur Hellsicht.
Im Rabenhoftheater inszeniert Christina Tscharyiski Sargnagel mit musikalischer Begleitung von Voodoo Jürgens: „Ja, eh! Beisl, Bier und Bachmannpreis“ ist seit Mittwochabend zu erleben und unbedingt sehenswert, auch für Leute, die sich leicht grausen. Hier wird Dialektkultur à la André Heller, Werner Schwab oder Elfriede Jelinek revitalisiert - und eine neue Kunstsprache aus den Tiefen der Gosse gewonnen. Auf der Bühne steht eine überdimensionierte Kredenz, einer dieser Kästen aus Omas Vorzimmer, die an Zeiten erinnern, als Materielles noch rar war und man es besser hortete (manche machen das immer noch, man kann nie wissen).
Die Musik der "enteren Gründe"
Aus den Klappen der Schwrankwand, die sogar ganze Gräber mit Kerzen und Second-Hand-Läden birgt, fallen drei Frauen heraus, die mit ihren zerschlissenen Pullis und Jogginghosen (Flohmarkt ist Trumpf und Humana sowieso) Schwabs „Präsidentinnen“ in die Gegenwart katapultieren: Miriam Fussenegger (Salzburgers Jedermann-Buhlschaft für ein Jahr), Saskia Klar (Schwester von Katharina Klar) und Lena Kalisch sprechen perfekt im Chor, teilen sich aber auch auf in verschiedene Figuren, aus denen Sargnagel lugt oder Personen, über die sie sich lustig macht: „Wenn ich von meinem Wiener Stil spreche, meine ich Fäkalrealismus und liebevolle Bosheit. Ich bin geprägt durch Christine Nöstlingers realistische Kinderliteratur, die ich von klein auf verschlungen habe. Mir gefiel, dass es nie um Elfen oder Pferde ging, sondern um fette oder picklige Kinder und die Grausamkeiten, denen sie ausgesetzt waren.“ Sargnagel mit ihrem Markenzeichen, der roten Mütze, ist eine beliebte Interpretin ihrer egomanisch-spöttischen Mädchen–Poesie voll Rebellion und Verwandlungslust.
Aber die drei Schauspielerinnen bringen einen ganz anderen, professionellen und tollen Drive in die Texte einer Girl-Odyssee durch ein Schlaraffenland der Möglichkeiten - in denen man oft virtuell wühlt, aber aber dann doch meistens nur sich selber findet. Wenn man auf dem Eislaufplatz sportelt, fallen einem die besten Formulierungen ein - und nachher im Wirtshaus, wenn die sitzengelassene Freundin heult, erst recht. Jürgens mit seinen Songs von Säufern, Kartenspielern oder Beinahe-Prügeleien um Teenies sind um einiges künstlicher als Sargnagels bittersüße Monologe, das Etikett Austropopper ist zu bieder für ihn. Er lässt sprachgewaltig eine Nachkriegsszene aufleben, die vielerorts ausgestorben ist, ins Vergessen gedrängt oder verdrängt wird: Jürgens besingt die Opfer des ungeschminkten materiellen und seelischen Elends, die trotzdem den Kopf versuchen, oben zu behalten. Zwischen "Nochborskinda" und "Café Fesch" erklingt unter dem Jubel des Publikums die neue Musik aus den alten "entern Gründen", wie man die Gegenden abseits der besseren Bezirke früher zu nennen beliebte.
Rund 70 kurzweilige Minuten dauert diese Performance, die auf humorvolle und melancholische Weise klar macht, dass es eben nicht wirklich möglich ist, sein Leben zu ändern und man die Versuche auch einfach sein lassen kann - wenn man denn kann.
Vorstellungen: 25., 26. April und ab 12. Mai.