Song Contest. Heute steigt in Kiew das Finale – mit österreichischer Beteiligung. Favoriten sind Italien und Portugal. Bulgarien, vertreten durch einen Teenager, darf ebenfalls hoffen.
Austria!“ – als letzter Finalist des europäischen Liederwettbewerbs wurde am späten Donnerstagabend in Kiew Österreich genannt (übrigens wurde Conchita Wurst vor drei Jahren im Semifinale ebenfalls erst als Zehnte und Letzte genannt). ORF-Moderator Andi Knoll ließ seinen Emotionen freien Lauf, als hätte Österreich gerade den Europameistertitel im Fußball gewonnen. Die Gesangsleistung des heimischen Kandidaten, Nathan Trent (25), war solide. Die Bühnenchoreografie mutete etwas verkitscht an: Trent stand ganz in Weiß auf einem riesigen Halbmond – politisch war das wohl nicht zu verstehen. Im Vorfeld wurden dem leicht bekömmlichen, aber relativ schnell wieder vergessenen Beitrag „Running on Air“ nicht die größten Chancen beim Song Contest gegeben. Wie überhaupt die zweite Vorausscheidung das Adjektiv „beliebig“ verdiente – tausendmal schon gehört und gesehen: die x-te Power-Ballade hier, eine Kopie der radiotauglichen David-Guetta-Beats dort. Bei den Kostümen dominiert heuer die Farbe Weiß, man mag fast glauben, die Fête Blanche ist heuer von Klagenfurt nach Kiew umgezogen.
Der Trash-Faktor ist erstaunlich niedrig, skurrile Beiträge findet man bei genauerem Hinhören aber doch. Etwa „Yodel It!“ vom Duo Ilinca feat. Alex Florea aus Rumänien. Der Schmäh wird eigentlich schon im Titel vorweggenommen: Ja, es wird gejodelt. Musikantenstadl trifft Pop-Castingshow. Das hätte Österreich auch einfallen können, zumal der Beitrag sich im Kreise der Favoriten für das Finale (21 Uhr) befindet.
Das trifft auch auf Bulgarien zu (bei den Wettbüros derzeit auf Platz drei), einer der positiven Überraschungen des diesjährigen Song Contest. Der erst 17-jährige, androgyne Kristian Kostow, optisch einem jungen Morten Harket, Sänger der norwegischen Popband A-ha („Take on Me“), ähnlich (auch wegen der Zahnlücke!), zeigte dabei eine erstaunlich reife Darbietung. Mit verträumtem Blick und New-Wave-inspirierter Frisur intonierte er die Liebesklärung „Beautiful Mess“ (das dazugehörige Video zollt den meisterhaften Clips des französischen Musikers Woodkid Respekt).
Chancenreich: Rauchiges und Jazziges
Dass der Song Contest im kommenden Jahr in Sofia stattfindet, ist also möglich. Wahrscheinlicher ist aber Italien oder Portugal. Der San-Remo-Gewinner von 2016, Francesco Gabbani, ist doppelt so alt wie sein bulgarischer Mitbewerber, auch seine Stimme ist ungleich rauchiger. Sein Beitrag „Occidentali's Karma“, ein Sommerhit, wurde mehr als 110 Millionen Mal auf YouTube gesehen. Wesentlich fragiler und ruhiger wirkt der Kandidat Portugals, der 27-jährige Jazz-Sänger Salvador Sobral. Er könnte Portugal (erste Teilnahme: 1964) den allerersten Sieg in der Geschichte bescheren. Sein Lied, „Amar pelos dois“ (eignet sich übrigens gut als langsamer Walzer), wirkt wie der Soundtrack zu einem Woody-Allen-Film.
Deutschland werden heuer hingegen keine großen Siegeschancen gegeben. Vielleicht liegt es daran, dass der Dance-Song „Perfect Life“ (gesungen von Levina) zu gewollt nach David Guetta klingt.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.05.2017)