Jazzfest Wien

Miles Mosley: Future-Funk statt Revolution

(c) Jazzfest Wien/Aaron Woolf Haxton
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Bassist Miles Mosley, vitaler Teil der erstarkten Westcoast-Jazzszene, gab sich im Porgy & Bess als viriler R&B-Sänger, allerdings ohne explizite politische Message.

Mit den wuchtigen Fanfarenklängen von „Open Sesame“, einem Instrumental von Kool & The Gang, eröffnete Miles Mosley mit vier Musikern des kalifornischen Kollektivs The West Coast Get Down seinen Debütabend im ausverkauften Porgy & Bess. Vor zwei Jahren veröffentlichte sein Freund, der Saxofonist Kamasi Washington, „The Epic“, ein vielschichtig tönendes Zeugnis des kreativen Whirlpools, der die Jazzszene der Westküste der USA jüngst geworden ist. Wesentliche Beiträge zu „The Epic“ lieferten Washingtons zwei Bassisten Thundercat und Miles Mosley.

Beide sind mittlerweile solo international erfolgreich. Thundercat, der heuer schon zweimal in Wien konzertierte, fusioniert Jazzfunk, Yachtrock und Soul. Mosley kreiert einen erdigen R&B, der in seinen besten Momenten an die Siebzigerjahreband War erinnert. In diesem Sinne proklamierte er eingangs auch gleich das Motto seiner Selbstermächtigung: „Ain't nothing been funky since 73“. Das Lied nennt sich „Young Lion“ und ist auch Opener von „Uprising“, dem vierten Mosley-Soloalbum. Aus ihm speist sich größtenteils das aktuelle Konzertrepertoire. „My better is better than your better, I'm top notch“, sang Mosley sonor und entriegelte mächtige Läufe auf seinem Kontrabass. Sein rechter Oberarm war wie stets in ein Metallteil gepresst, das wie das Überbleibsel einer Ritterrüstung aussah, am linken Unterarm prangte sein eintätowiertes Motto: „Basso Agitato fff“.

Eine Ode an L. A.

Um sein erregtes Spiel zum Future-Funk stilisieren zu können, bediente er sich vieler Effektgeräte. Die waren dann auch nicht unpraktisch, als sich seine mit ihm geradezu telepathisch agierende Band an eine abenteuerliche Neudeutung des Jimi-Hendrix-Klassikers „If 6 Was 9“ machte. Ein weiteres Highlight war „L. A. Won't Bring You Down“, Mosleys zwischen Wehmut und Optimismus oszillierende Ode an seine Heimatstadt. Durch zahlreiche Umzüge während seiner Kindheit und Jugend lernte er seine Stadt von allen Seiten kennen. Und weil er das Leben vom Ghetto Inglewood bis zu den Stränden von Venice kennt, glaubt er an die soziale Durchlässigkeit der amerikanischen Gesellschaft.

Vielleicht auch, weil er als Musiker schon viele unsichtbaren Grenzen durchbrochen hat, indem er als Sessionmusiker mit so unterschiedlichen Granden wie Chris Cornell, Kendrick Lamar und Lauryn Hill zu tun hatte. Verständlich, dass er in Songs wie „Shadow Of Doubt“ sozialen Aufstieg in den USA kühn als Akt des Willens sieht. Zu Donald Trump fällt ihm schlicht nichts ein. Und so adressierte er in seinen Liedern kaum konkrete politische Probleme.

Mosley denkt lieber über archaische Gefühle nach. Etwa in „In Tuning Out“, wo er schlicht den Ambivalenzen der Liebe nachsann.

Den revolutionären Gestus beherrscht er, vor der echten Revolution fürchtete er sich aber wohl ein wenig.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.07.2017)

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