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Randy Newman: Putin, Kreationisten und ein einsamer Bluessänger im Himmel

„A self-described atheist“: Randy Newman lässt sich im Song „The Great Debate“ selbst vorkommen.
„A self-described atheist“: Randy Newman lässt sich im Song „The Great Debate“ selbst vorkommen.(c) Warner
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Die Welt ist mindestens so tragisch wie komisch; und Gott gibt es erstens nicht, und zweitens ist er nicht lieb: Auf „Dark Matter“ bleibt Randy Newman seiner düsteren Lebenseinstellung treu. Ein Humanist in der Möglichkeitsform, diesmal stellenweise zu plakativ.

Wie so viele Bluesmusiker in der Ära der Großen Depression wanderte John Lee Williamson nordwärts, von Tennessee nach Chicago. Sonny Boy Williamson nannte er sich, und just diesen Namen sah er eines Tages auf einem Plakat: Ein anderer Mann aus dem Süden, aus Mississippi, getauft auf Alex Ford, spielte ebenfalls den Blues – und nannte sich ebenfalls Sonny Boy Williamson.

Ein Zufall? Oder hatte er den Namen bewusst gestohlen? Wollte er vom Ruhm des Originals zehren? Das wird nie völlig geklärt werden. Fest steht: Der „echte“ Sonny Boy Williamson wurde 1948 bei einem Raubüberfall getötet, seine letzten Worte waren: „Lord, have mercy.“ Alex Ford überlebte ihn – und erlebte noch den von jungen Briten ausgelösten Blues-Hype, der so vielen schwarzen Bluesmännern in den frühen Sixties spätes Geld brachte: Als Sonny Boy Williamson – nun konnte er sich konkurrenzlos so nennen – tourte er durch Europa, bevor er 1965 starb.

Eine wahre Geschichte, tragisch mit komischem Hauch. Gerade richtig für Randy Newman. Er lässt in „Sonny Boy“ die letzte Bitte des ersten Sonny Boy Williamson in Erfüllung gehen und führt ihn in den Himmel, wo er leider ganz allein ist: „Now I'm the only bluesman in heaven“, sagt er, „it makes me kind of sad, I'm the only one to die young, didn't have the time to do nothing bad.“

Wer's glaubt, wird selig, sagt man. Randy Newman glaubt nicht, zumindest nicht an einen lieben Gott, und seine Welt ist im höchsten Maß unselig. „Ihr müsst alle wahnsinnig sein, mir euern Glauben zu schenken“, ließ er einst Gott in „God's Song (That's Why I Love Mankind)“ sagen.

Gott selbst kommt auf „Dark Matter“ nicht zu Wort. Nur seine Anhänger, die Newman gar nicht leiden kann. Das erste Stück, „The Great Debate“, ist fast ein Hörspiel: In einer dubiosen Show konfrontiert ein schmieriger Moderator die „teuersten Wissenschaftler der Welt“ mit „wahren Gläubigen“. Er verhöhnt erst den Physiker mit seiner dunklen Materie, dann die Evolutionsbiologin, die Frommen singen beschwingt „I'll take Jesus“. Dann soll's um den Klimawandel gehen, als ein empörter Gläubiger aufsteht und dem Songautor Randy Newman – „a self-described atheist“ – vorwirft, dass er die Gläubigen zu böse karikiere: „Ich selbst glaube an Jesus, ich glaube auch an die Evolution, ich glaube an die Klimaerwärmung und ans ewige Leben!“ Der Moderator würgt ihn ab, die Szene endet in einem Gospelchor.

Zum Glück kein Song über Trump

Schön kompliziert! Und doch, zumindest bis zum jähen Bruch, plakativer, als man es von Newman gewohnt ist, auch durch die rein illustrative Rolle des orchestralen Arrangements. Ähnlich der Song „Putin“: Schon die erste Zeile spielt mit dem Namen („Putin puttin' his pants on“), und wenn dann die „Putin Girls“ frivol „Putin, if you put it“ trällern, ist das doch ein bisserl dick aufgetragen. Man hört, dass Newman einen Song über Donald Trump, in dem er mit der Doppeldeutigkeit von „dick“ (als Wort für den Penis und als Schimpfwort) spielt, verworfen hat, und freut sich über diese Entscheidung . . .

Nein, schlichtes Trump- und Putin-Bashing, dafür braucht man nicht Randy Newman, dessen beste Songs uns darauf stoßen, dass es im „Jungle Out There“ (Newmans Titelsong für die TV-Serie „Monk“ ist in einer neuen Version auch auf „Dark Matter“) nicht immer so klar ist, wer gut und wer böse ist. Manchmal nicht einmal, wer gewonnen und verloren hat. Der Willie in „On The Beach“ etwa, der am Strand geblieben ist, während die anderen aufs College oder in den Krieg gegangen sind. Nein, du bist kein Sandler, Willie, schwört Newman zu sehnsüchtigem, fast weinerlichem Beserl-Jazz, schön dass du noch hier bist!

Nicht mehr hier ist offenbar der Bub, dem Newman im (nur vom Klavier begleiteten) „Wandering Boy“ nachruft. Ist er davongelaufen? Abgängig? Oder schon als Kind verunglückt? Träumt der Vater nur, dass der Sohn noch lebt, dass es ihm gut gehen könnte? Zuverlässig real sind in Randy Newmans Songs nur die Sehnsucht und die Trostbedürftigkeit. Er mag ein trauriger Zyniker sein, aber er ist es als Humanist. Zumindest in der Möglichkeitsform.

Zur Person

Randy Newman, geboren 1943 in Los Angeles, ist der Neffe von gleich drei erfolgreichen Filmmusikkomponisten. Auch er schreibt Filmmusik, z. B. für „Toy Story“ oder „Die Monster AG“, er bekam dafür sechs Grammys und zwei Oscars. Etliche seiner Songs wurden in Versionen anderer Künstler berühmt, etwa „You Can Leave Your Hat On“ (Joe Cocker). Von seinen eigenen Alben war „Little Criminals“ (1977, mit dem bösen Hit „Short People“) am erfolgreichsten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.08.2017)

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