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Perfekter Radau im Gasometer

Kasabian gingen es im prall gefüllten Gasometer vom ersten Song weg wild an.
Kasabian gingen es im prall gefüllten Gasometer vom ersten Song weg wild an.(c) REUTERS (EDDIE KEOGH)
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Kasabian, fußballverliebte Band aus Leicester, begeisterte in Wien mit raffinierter Räudigkeit. Das konstant hohe Energielevel wurde selbst in Discoschnalzern gehalten.

Es war wohl Naivität. Lang bevor ich richtig Gitarre spielen konnte, dachte ich mir schon hübsche Melodien aus“, sagt der gefährlich dünne Sergio Pizzorno im Gespräch mit der „Presse“. Pizzorno, Songschreiber, Gitarrist und zweiter Sänger von Kasabian, ist alles andere als ein gewöhnlicher Rockmusiker. Vor allem auf den jüngsten beiden Alben „48:13“ und „For Crying out Loud“ flirtet er, der früh schon die Collagetonkunst eines DJ Shadow liebte, mit Genres wie Disco, Funk und Rave. Mit der Wahl der Farbe Rosa fürs Cover von „48:13“ neckte er die zu Konservatismus neigenden Rockfans. „Für mich war das der pure Punk-Moment.“

Wild ging es auch von Anfang an live im prall gefüllten Gasometer zu. Mit dem wuchtigen „Ill Ray (The King)“ eröffneten Kasabian ihre Soundattacke. „The higher the mountain the higher I climb“, versicherte der charismatische Leadsänger Tom Meighan und gab die hedonistische Losung „Don't care what they say, be a king for a day“ aus. Musiker aus den englischen Midlands neigten immer schon zu Extremen. Thin Lizzys Phil Lynott wurde hier genauso geboren wie Black Sabbaths Ozzy Osbourne. „I'm gonna stay in my home country“ ließ der aus Birmingham stammende Steve Winwood seinen Helden in „Midland Maniac“ sagen. Wie dieser hängen auch Kasabian trotz internationaler Karriere an der heimatlichen Scholle.

Die Magie der Simplizität

In ihrem Fall ist es Leicester, jene Stadt, die der hiesige Fußballfan mit Inbrunst „Leidschester“ ausspricht. Dass der Verein Leicester City auch hierzulande Thema wurde, hat mit Christian Fuchs zu tun, einem österreichischen Ex-Teamspieler, der 2016 tatkräftig beim sensationellen Titelgewinn des Underdogs mitgewirkt hat. Pizzorno versichert, ihn mehrmals getroffen zu haben.

Dass er selbst Fußball spielt, das ließen seine abenteuerlichen Beinbewegungen beim Schrubben der kantigen Riffs ahnen. Sänger Meighan ging es ökonomischer an. Zu seinen Spleens zählt es, panthergleich den immer gleichen Kreis abzuschreiten. Dieser Mann hat das Frontman-Gen, das anerkennt Pizzorno neidlos. Mit seiner rauen Working-Class-Intonation fräste sich Meighan auch im Gasometer wirkungsvoll wie ein Ian Brown (Stone Roses) oder Ex-Oasis-Sänger Liam Gallagher in die Gehörgänge. Mit dem ihm innewohnenden rüden Charme adelte er Songs wie „You're in Love with a Psycho“ und „Shoot the Runner“. Das konstant hohe Energielevel wurde selbst in Discoschnalzern à la „Wasted“ gehalten. Der Antiheld darin sitzt den kurzen englischen Sommer, das Herz voller Sehnsucht nach einer jüngst Verflossenen, ganz einfach indoors aus. Alcoholidays eben. „You won't catch me in my shorts, I'd rather just sit in this bar and drink all day, knowing that you'll wander in through the door.“

Obwohl Pizzorno auch komplexe politische Texte („Glass“!) verfassen kann, bevorzugt er meist die Magie der Simplizität. Das wiederkehrende „Oosh“ in „Club Foot“ kitzelte da die Ganglien genauso wie die trauliche Luftigkeit der Synthie-Riffs von „Eez-Eh“. Den Schlusspunkt setzten Kasabian mit dem stürmischen „Fire“, einem Song, der nicht zuletzt im britischen Sport-TV zur Hymne wurde. Fazit: Radau at its best.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.11.2017)

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