Nachruf

Leere Plattenteller: DJ und Popjournalist Philipp L'Heritier ist tot

Im Alter von nur 40 Jahren ist Philipp L'Heritier gestorben. Er hat den Radiosender FM4 wesentlich geprägt, auch für die "Presse" geschrieben - und über fünf Jahre lang den "Song der Woche" mitgewählt.

„Vielleicht einmal einen klassischen Weihnachtssong?“, hatte er zuletzt gefragt, in einem der vielen Mails, mit denen wir darüber zu verhandeln pflegten, für welchen „Song der Woche“ von FM4 und „Presse am Sonntag“ wir uns entscheiden sollen. Ich schlug „Die Unendlichkeit“ vor, einen neuen Song von Tocotronic, einer seiner großen Lieblingsbands. Dann war der Kontakt vorbei, Philipp war nicht mehr erreichbar, bei FM4 wussten sie auch nichts, er hatte sich Urlaub genommen. Am nächsten Tag, am Tag vor Weihnachten, dann die schreckliche Nachricht: Man hat ihn tot in seiner Wohnung gefunden. Philipp L'Heritier ist im Alter von 40 Jahren gestorben.

Er war einer der verständigsten und liebenswertesten Menschen, die sich professionell mit Popmusik befassen. Er hat die österreichische Szene als DJ, als Veranstalter und als Journalist geprägt, hauptsächlich für FM4, aber auch für den „Falter“, für „Spex“ und die „Presse“. Dabei hätte er selbst zurecht dagegen protestiert, auf Österreich beschränkt zu werden: Alles, was nach Provinzialismus, nach gütig gewährtem Heimvorteil, roch, war ihm, dem gebürtigen Burgenländer, zuwider. Genauso wie die protzigen Gesten des Rock. Sein Urteil konnte hart sein, aber es war das eines Liebenden. Und auch wenn er das allzu Bekannte, Gängige oft schmähte – Philipp L'Heritier war kein Snob, der den Massengeschmack prinzipiell verachtet, er wusste auch die Pet Shop Boys, Madonna oder Beyonce zu schätzen. Und natürlich Julia Holter und Tocotronic.

"Sometimes I feel very sad"

Doch er suchte stets nach dem Neuen, nach dem unerhörten House-Track oder nach Dream-Pop, der sein Herz neu rühren, den Schmerz neu ausdrücken konnte. „Wir sehen bunte Lichter, alles dreht sich, was draußen so passiert, können wir nicht mehr verstehen, wir sind schon viel zu weit weitergekommen. Die Welt da draußen kann uns nicht mehr verstehen“, schrieb er in einem seiner letzten Texte über einen „Song der Woche“, über Jim James' Version von „I Just Wasn't Made For These Times“ von Brian Wilson. Und weiter: „,Sometimes I feel very sad‘, hat Brian Wilson gesungen, ,Sometimes I feel very sad‘, singt Jim James, es ist ein Gefühl, das tief in uns wohnt, und manchmal kann es sich wie eine Erlösung anfühlen.“

Nein, es musste nicht alles über Leid, Schmerz und Erlösung handeln, was ihm gefallen konnte, Philipp L'Heritier hatte auch Sinn für das Simple, Schlichte, Triviale, es durfte nur nicht banal sein. „Lieder über das rätselhafte Leben von Menschen Mitte 20, Arbeit, Liebe, Richtung. Musik für junge Leute und solche, die vielleicht noch welche werden wollen“, schrieb er in seiner letzten CD-Besprechung fürs „Schaufenster“ der „Presse“ (über die Band Fits).

Er selbst kam uns bis zuletzt jung vor, mit seinem weichen Bart, seinen enthusiastischen Augen, seiner herzlichen Selbstironie, mit der er jeden entwaffnen konnte, der ihm eine neue ernste Schwärmerei nicht glauben wollte. Natürlich wusste man, dass er es sich allzu schwer machte mit den langen Nächten, dass er seine Gesundheit missachtete. Doch sein Tod kommt wie ein Schlag. Vielleicht erinnert man sich am besten an Philipp L'Heritier, wie er an den Plattentellern stand, in einem T-Shirt mit einem Löwenkopf darauf, mitten in der Hitze der Nacht, wie er verschwitzt die Arme in die Luft warf, alles andere als ein Showman, aber ein Begeisterter. Wir werden ihn vermissen, in allen Lokalen, bei allen Konzerten und Festivals und überhaupt.

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Kulturjournalist Philipp L'Heritier 40-jährig gestorben

Der gebürtige Burgenländer war in den vergangenen Jahren vor allem für den Radiosender FM4 tätig.

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