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„Old Man Trump“: Eine Flaschenpost von Woody Guthrie

Glen Hansard.
Glen Hansard.(c) imago/STAR-MEDIA
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In einem erst 2016 entdeckten Songtext kritisierte der große Folksänger Woody Guthrie einen Immobiliendeal des Vaters des jetzigen US-Präsidenten. Bei seinem umjubelten Konzert in Wien brachte Glen Hansard diesen Song – ergänzt durch einen Seitenhieb auf Donald Trump.

Er ist erst 47 und trägt schon weißen Vollbart: War es die feuchtkalte Zeit als Straßenmusiker in Dublin, die Glen Hansard äußerlich so rasch altern ließ? Sicher scheint, dass dieser knarzige Ire kein Freund des Bodystyling ist. Er überlegt sich wohl auch nicht, was so ein Bart in Bezug auf Identität, Erotik, Mode und Weltanschauung alles signalisieren könnte. Er lässt ihn einfach wallen und verdeckt so die Austrittspforte einer der eindringlichsten Stimmen des zeitgenössischen Pop.

Früher sang Hansard mit seiner Band The Frames oft im Wiener Gürtellokal Chelsea. Nun, als Grammy- und Oscar-Gewinner, füllte er die Halle im Gasometer. Verstärkt durch ein feminines Streicherensemble und eine virile Bläsersektion ließ er sich vom vollen Sound davontragen. Vorbild für diese klangliche Üppigkeit ist ihm das Caledonia Soul Orchestra, mit dem Van Morrison 1973 tourte. Nicht zufällig sang Hansard in Wien auch „Gloria“, das Lied, das Van Morrison als 20-Jähriger ersonnen hat. Doch er sang es wie ein Erwachsener, der sich nicht von der Macht seines Begehrens davontragen lassen will. Selbst seine raren Zornausbrüche relativierte Hansard. Und nach einem furiosen Ausflug in die Welt von Woody Guthrie meinte er nonchalant: „Ja, das war billig, das war aufgelegt.“

Das Lied war „Vigilante Man“, eine der Dust Bowl Ballads, die Woody Guthrie (1912–1967), jener Folksänger, auf dessen Gitarre der Hinweis „This machine kills fascists“ stand, in den späten Dreißigerjahren schrieb. Es schildert die „Freiwilligen“, die versuchten, Bauern, die wegen der Dürre aus den Great Plains nach Kalifornien ziehen wollten, mit Waffengewalt zu verscheuchen. In den Text integrierte Hansard Teile der 2016 an der University Of Central Lancashire entdeckten Guthrie-Lyrics von „Old Man Trump“. Sie bezogen sich auf den Vater des jetzigen US-Präsidenten, auf Fred Trump, bei dessen Immobiliendeals Staatsgelder in Millionenhöhe versickert sind. 1952 wohnte Woody Guthrie in einem Wohnkomplex in Brooklyn, den Trump senior mithilfe von Staatsgeldern hochgezogen hatte, um sie dann nur Weißen zukommen zu lassen. Afroamerikanische Wohnungsuchende wimmelte er dreist ab. Das griff Guthrie in seinem Text auf: „I suppose, old man Trump knows just how much racial hate he stirred up, when he drawed the color line.“ Hansard ergänzte das nun mit eigenen Zeilen: „Like father, so like son, he's rotten to the core.“

In seinen eigenen Songs behandelt Hansard soziale Verwerfungen deutlich weniger aggressiv. In „Shelter“ etwa, einem Lied über einen Obdachlosen, gab er sich strikt sozialromantisch. Schön, wie sich in Momenten großer Emotionalität Songstruktur und Sprache auflösten. Dann navigierte Hansard nur mit Ächzen und Seufzen durch dramatische Balladen wie „Wreckless Hearts“ und „Lowly Deserter“. Schließlich empfahl er sich mit Bruce Springsteens „Drive All Night“. Fremde, gefallene Engel und auch Antihelden, alle wollen einmal ins Bett.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.02.2018)

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