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Max Raabe: "Da wird mir ganz blümerant"

Max Raabe
Max Raabe(c) AP (Franka Bruns)
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Bluejeans trug er das letzte Mal mit 15 Jahren, statt iPod hört er Grammofon: Anlässlich seines romantischen ersten Soloalbums traf die "Presse am Sonntag" Max Raabe.

Max Raabe legt mit „Übers Meer“ ein überraschend beseeltes Soloalbum vor. Nur vom Pianisten Christoph Israel begleitet, schürt er Sehnsüchte ganz abseits von Ironie. Die Lieder stammen von Österreichern wie Walter Jurmann und Fritz Rotter, aber auch aus dem Repertoire von Hans Albers. Die „Presse am Sonntag“ traf den stilbewussten Künstler in Salzburg.

Wie lange trugen Sie die Idee für ein romantisches Soloalbum schon in sich?

Raabe: Eigentlich bin ich erstaunt, dass das so lange gedauert hat, weil es doch so naheliegend ist. Wenn ich Musik höre, bleibe ich gern in einer Stimmung. „Übers Meer“ ist genauso zusammengestellt, wie ich es mag.

Die Aufnahmen fanden im berühmten Rainbow Studio von Jan Erik Kongshaug in Oslo statt, jenem Toningenieur, der für den distinkten Sound der ECM-Alben (Münchner Plattenlabel für zeitgenössischen Jazz und Klassik) verantwortlich zeichnet. Wie kam es dazu?

Mir war wichtig, dass „Übers Meer“ nicht den feierlichen Klang eines Liederabends hat. Trocken wie bei einer Popeinspielung sollte es aber auch nicht tönen. Die Art wie Kongshaug mit Raumklang umgeht, die passte genau für uns.

Wer hatte die Idee für die romantischen Fernwehcoverfotos, die verdächtig nach Caspar David Friedrich aussehen?

Die Dinge sind oft profan. Wir sind an den Strand gegangen. Dort sind wir vom Frack abgekommen. Wir wollten es intimer und ziviler. Dann stellt man sich ans Wasser, dreht sich, geht nach links, nach rechts, erklimmt die eine und die andere Klippe und schon hat man einen Haufen Bilder, die Fernweh romantisch deuten, wie einst Friedrichs Figuren über dem Nebelmeer.

„Anton Reiser“ von Anton Phillip Moritz, einer Ihrer Lieblingsromane, zeigt den Abgrund zwischen Ich und Welt und thematisiert eine konsequente Flucht in die Ästhetik. Sind es diese Aspekte, die Sie faszinieren?

Anton Reiser sucht ja und schwankt, ist unsicher und eitel, wandert herum und lässt sich begeistern, macht vieles mit. Das ist aber auch schon alles. Es ist ein sehr schöner Roman, der mich, als ich ihn sehr jung gelesen habe, sehr berührt hat. Es gibt natürlich viele Lieblingsbücher. Ich hätte auch Tristam Shandy nennen können. Dennoch würde ich nicht sagen, dass in diesen Büchern mein Credo verankert liegt.

Auch die Kunst der Weimarer Republik, an die ihre Musik oft gemahnt, wies stark eskapistische Tendenzen auf. Ist diese Flucht ins Schöne nicht doch Kern Ihres Konzeptes?

Letztlich ist es das schon. Für die Dauer eines Films oder eines Musikstücks hält die Glückseligkeit Einzug. Wenn ich mit dem Palastorchester die Bühne betrete, hat das Publikum sozusagen den Freifahrtsschein ins Glück. Dass historisch gesehen die Sache in den Dreißigerjahren prekär wurde, muss man wissen, aber man sollte keinen Baum entwurzeln, bloß weil er in dieser Zeit gepflanzt wurde. Die Musik der Weimarer Republik ist zwar noch untadelig, arbeitet letztlich aber mit den gleichen verführerischen Mitteln wie die damalige Politik. Das muss man mitreflektieren, wenn man sich an der eigentümlichen Kraft dieser Musik erfreut.

Auf „Übers Meer“ sind zwei Lieder, die mit Hans Albers assoziiert werden. Was macht das Faszinosum seines Gesangs aus?

Ich bin eigentlich kein Fan seines Gesangs. Viele Stücke macht er mir zu derbe. „Ganz dahinten, wo der Leuchtturm steht“ ist allerdings unschlagbar. Ich bin ja oft in Hamburg. Dort gibt es ein, zwei schräge Lokale, die ihre Jukebox mit Hans Albers aufgefüllt haben. Ich geh dann immer hin und werfe mein Geld für dieses Lied ein und jedes Mal wird mir wieder ganz blümerant.

Publikumslieblinge aller Epochen sangen oft ohne Stimme. Wie sehen Sie dieses Phänomen?

Es sind oft Schauspieler, die ganz schlecht singen, aber wahnsinnig berühren. Hildegard Knef etwa. Bei allem Respekt, auch Willi Forst konnte nicht singen, trotzdem hatte er was.

Woher rührt es, dass die Schlagertexte früher so viel besser waren?

Das lag wohl daran, dass sich diese wunderbaren Texter von Fritz Rotter bis Robert Gilbert gegenseitig hochgepeitscht haben. Das war eine größere Szene. Die hatten Witz und Feinsinn im Übermaß, ohne abgedreht intellektuell zu sein.

Sie treten demnächst wieder in der New Yorker Carnegie Hall auf. Wie toll ist das? Verändern Sie Ihr Programm für die Amerikaner?

Ein wenig. Wir machen halb Deutsch, halb Englisch. Ich führe auf Englisch durchs Programm. Das Publikum ist komplett gemischt, aber ich weiß von Leuten, die in den Konzerten waren, dass ein paar sehr alte Herrschaften kamen, die diese Lieder zuletzt in Europa vor ihrer Emigration hörten. Das ist natürlich sehr anrührend.

Jetzt singen viele Deutsche wieder Lieder aus den Dreißigerjahren. Manche sehr exaltiert. Was halten Sie davon?

Diese Musik verträgt es, auf alle mögliche Art und Weise interpretiert zu werden. Man kann an dieser Musik nicht viel kaputt machen, weil das Handwerk so großartig ist. Ich bin froh, wenn andere diese schönen Lieder auch interpretieren.

Sie sind ein Freund akkurater Garderobe. Welche Wonnen hält diese bereit?

Ich komme mir einfach blöd vor, wenn ich mich unterhalb meines Niveaus verkleide. Sie können Fotos aus meiner Schulzeit ansehen, ich habe immer gleich ausgesehen. So langweilig das auch ist.

Hatten Sie denn niemals Bluejeans?

Doch mit 15 einmal. Ich fühlte mich nicht wohl darin. Im Winter sind sie zu kalt, im Sommer zu warm. Ich habe auch meine Nachlässigkeiten, aber die manifestieren sich nicht darin, dass ich Jeans trage.

Was für ein Erlebnis war es eigentlich, auf der Hochzeit von Marilyn Manson und Dita Von Teese aufzuspielen? War Ihnen seine Musik überhaupt ein Begriff?

Na, selbstverständlich. Als die Anfrage kam, waren wir uns nicht sicher, ob das ernst gemeint war oder ob er uns als rituelles Opfer über die Zinnen von Helnweins Burg werfen will. Wir haben uns so unsere Fragen gestellt. Aber dann hab ich Manson als sensiblen und klugen Menschen kennengelernt.

Am Ende eines „Presse am Sonntag“-Interviews steht die iPod-Frage. Besitzen Sie überhaupt so etwas?

Bei mir zu Hause gibt es Grammofone, Plattenspieler und einen Doppelkassettenrekorder, alles Geräte, deren warmen Klang ich liebe. Aber ich weiß, dass es so was gibt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.02.2010)

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