Jazz-Fest: Von den Scheunen und Stadln in die Wiener Staatsoper

Fritz Thom hat den Jazz in die prunkvollsten Hallen Wiens gebracht.
Fritz Thom hat den Jazz in die prunkvollsten Hallen Wiens gebracht.(c) Luiza Puiu
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Fritz Thom gilt als der Erfinder des Jazzfestivals in Österreich. Das Jazz Fest Wien macht er seit 1991. Dabei muss er recht haushalten.

Ich glaube, es hat mich mein ganzes Leben niemand so demonstrativ verächtlich angesehen“, sagt Fritz Thom lachend, wenn er sich an seine erste persönliche Begegnung mit dem großen amerikanischen Jazzimpresario George Wein erinnert. Auch der Amerikaner Norman Granz, der Mann, der den Jazz nach dem Krieg in die Goldenen Säle Europas brachte, war leicht schockiert über Thoms Aussehen. Der Mann hatte damals Federn bis zum Arsch, will heißen, ein Haupthaar bis zum Gesäß. „13 Jahre lang habe ich sie mir wachsen lassen“, sagt er, der heute eine stoppelige Kurzhaarfrisur trägt, immer noch mit etwas Stolz in der Stimme.


Fritz Thom hat mit den von ihm seit 1973 organisierten Jazzkonzerten der Gegenkultur einen rauen, progressiven Soundtrack geliefert. Früh suchte er Fühlung mit der damals aufbrechenden Alternativkultur. Per Autostopp reiste er nach London, sah sich The Who, Pink Floyd und Led Zeppelin im winzigen Marquee Club in der Wardour Street an. Die Rolling Stones erlebte er 1969 live im Hydepark mit. „Geschlafen hab ich im Schlafsack im Hyde Park oder wenn es geregnet hat im Rohbau des gerade aufgezogenen Hilton-Hotels in der Park Lane“, erinnert er sich an wilde Zeiten.


1972 veranstaltete er ein Jack-DeJohnette-Konzert in Eisenstadt, Auftakt zu mannigfaltigen Bemühungen, zeitgenössische Sounds nach Österreich zu bringen. Ob als Tourmanager von Don Cherry oder als Toningenieur in den Kulturscheunen und -stadln jener Zeit. Den Jazz entdeckt hat er bereits als Gymnasiast in Eisenstadt. Immer wieder riss er aus dem Konvikt aus, in dem er untergebracht war. Oft ging es ins Plattengeschäft Radio Aufner oder fuhr per Autostopp nach Wien, wo er sich Granden von Charles Mingus bis Cannonball Adderley ansah.
Später als Student der Informatik wurde er „unpolitischer Kulturreferent“, wie er betont. Das Audimax der TU wurde damals gerade fertiggestellt. Thom buchte neben Helmut Qualtinger und Ernst Jandl auch internationale Jazzer wie Chick Corea und Stan Getz. Alles von einem Vierteltelefon in einem Untermietzimmer aus. Dann ging es Schlag auf Schlag. Von 1976 bis 1990 programmierte er das Jazzfestival Wiesen, später den Jazz-Summit Hollabrunn. 1991 gründete er das Jazz Fest Wien. Da war der Jazz dann längst nicht mehr so wild. Kritik hat sich Thom in allen Phasen seiner ungewöhnlichen Karriere abholen müssen.
Als er Anfang der Achtzigerjahre etwa den legendären Cab Calloway nach Wiesen holte oder als er kurze Zeit später die junge, punkige Jazz-Band Lounge Lizards in Österreich vorstellte. Sogar Fela Kuti, den König des Afrobeat, den er Anfang der Achtzigerjahre mit 38-köpfiger Band in die Sofiensäle brachte, empfanden ältere Jazzer als Zumutung. Irgendjemand hatte immer etwas auszusetzen. Mal war es zu konservativ, dann wieder zu progressiv. Das immunisierte Thom gegenüber jeglicher Kritik. Er muss sich auch finanziell nach einer schmalen Decke strecken. Das Jazz Fest Wien ist sehr auf den Goodwill der Künstler angewiesen, ein Konzert auch mal weit unter dem Marktwert zu spielen. Die früheren Großsponsoren Bank-Austria und Wiener Städtische haben sich längst zurückgezogen. Auch die Unterstützung der Stadt Wien wurde halbiert. Sie beträgt nur mehr 25.0000 Euro. „Dabei steigen die Gagen ständig. Ich mag mich nicht beschweren, warte aber immer noch darauf, dass das Jazz Fest Wien wachgeküsst wird.“

Highlights: Green und Bailey Rae

Organisiert ist das Jazz Fest Wien als privater Verein. „Wir sind keine Stadt-Wien-Angestellten“, betont er, der irgendwann begonnen hat, es dem Publikum bequemer zu machen. Zunächst mit Konzerten im Musikverein, dann mit der Wiener Staatsoper als Prunkbühne des Jazz Fest Wien. „Ich wollte nicht die Hochkultur aufbrechen, ich wollte die Oper einfach als prestigeträchtigen Schauplatz für den Jazz.“ Bis 2020 ist das gesichert. Was seine persönlichen Highlights heuer sind? „Eindeutig Cee-Lo Green und Corinne Bailey Rae. Ihnen laufe ich schon lang nach, konnte sie mir aber bisher nie leisten.“

Info und Person

Jazz Fest Wien 2018: Das Budget beträgt 1,3 Millionen Euro (im Vergleich dazu: Montreux hat mehr als 20 Millionen Euro zur Verfügung). Eigentlicher Beginn war am 15. Juni mit Kris Kristofferson in der Stadthalle, das übrige Programm startet heute, Montag, 25. Juni. Die kommenden Highlights in der Oper: Thomas Quasthoff (3. Juli), Melody Gardot (4. Juli), Till Brönner (5. Juli), Cee-Lo Green (6. Juli), Corinne Bailey Rae (7. Juli).
Fritz Thom, geboren 1953 in Wulkaprodersdorf, hat das Phänomen Jazzfestival in Österreich eingeführt.

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