Pop

Jetzt und hier weht er wieder, der irre Geist von Pink Floyd

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Schlagzeuger Nick Mason interpretiert das geniale Frühwerk seiner Band – am Mittwoch in Wien. Die "Presse" sah das Konzert in Berlin.

Die Worte „I hate“, vor den Aufdruck „Pink Floyd“ geschmiert: Mit einem solchen T-Shirt soll der junge Londoner John Lydon vulgo Johnny Rotten 1975 schon Aufsehen erregt haben, bevor er Sänger der Sex Pistols wurde. Immer wieder hat er später versichert, dass das nicht so gemeint gewesen sei, die Geschichte bleibt. Und hat dazu beigetragen, dass Pink Floyd als Paradebeispiel für die – von den Punks so genannten – Rock-Dinosaurier dienen mussten.

Das ist ungerecht und falsch. Und wer das noch immer glaubt, kann sich durch ein Konzert von der Band eines besseren belehren lassen, die Pink-Floyd-Schlagzeuger Nick Mason um sich geschart hat. Saucerful of Secrets nennt er sie, nach dem zweiten Floyd-Album, und das Bühnenbild der Shows erinnert an dessen Cover: die wüste, chaotische Variante der Psychedelic-Ästhetik. Hier wohnt keine Woodstock-Idylle, hier dräut der Irrsinn, der Syd Barrett, den Gründer der Band, tatsächlich befallen hat. Entsprechend beginnt das Set – nach einer langen Collage von Geräuschen – mit dem „Interstellar Overdrive“, dieser Odyssee durch ein Weltall, in dem nirgendwo Phäaken hausen. Dann „Astronomy Domine“, scheppernd, kreischend, dann „Lucifer Sam“, das Lied über eine spukhafte Katze, ein Märchen aus einem grellen Wunderland. Gary Kemp (bekannt von der New-Romantics-Band Spandau Ballet) und Guy Pratt schlugen und rissen es aus ihren Gitarren, als gelte es zu erklären, warum einst so viele Querköpfe der New-Wave-Riege gar nicht willens waren, Pink Floyd als Hippie-Träumer zu verachten.

Dabei waren sie das auch, auf eine ganz eigene, sehr englische Weise, in „Fearless“ etwa oder in „Green Is The Colour“: was für eine schläfrige, abgeklärte, alte Seelenlandschaft! Ganz anders als die verrückten – wiewohl auch sehr englischen – Szenarien der ersten Floyd-Singles wie „Arnold Layne“. Und doch lagen einst höchstens fünf Jahre dazwischen. Wie einst auf dem von Nick Mason illustrierten Sampler „Relics“ – von dem Kemp erzählte, dass es sein erstes Pink-Floyd-Album war, ganz einfach, weil es „half-price“ verkauft wurde – mischen Saucerful of Secrets diverse Stücke dieser zwei Stile wild durcheinander. Und noch dazu die beschwörerischen, die Zeit dehnenden Exkursionen wie in „Atom Heart Mother“. Dieses doch etwas großspurige Opus in einer jeden Bombasts beraubten Listener's-digest-Version zwischen zwei Strophen des Klageliedes „If“ – das hatte freilich schon etwas.

Chaos und dann Sonnenanrufung

Insgesamt ist die Dramaturgie des Konzerts etwas enttäuschend, die großen, weiten Spannungsbögen, für die Pink Floyd zurecht berühmt waren, kommen zu kurz. Die „Celestial Voices“ von „A Saucerful Of Secrets“ wirken nicht ganz so befreiend, wenn das „Syncopated Pandemonium“ davor nicht wirklich höllisch lang war. Bei „Set The Controls At The Heart Of The Sun“ ließen sich die Musiker erfreulicherweise mehr Zeit – auch dafür, Chaos aufzubauen (das mag ein Paradoxon sein, aber die Architekten von Pink Floyd konnten das), um dann die Sonnenanrufungsmelodie umso reiner wirken zu lassen. Seltsam allerdings wirkte, wie sich die Musiker zu solchen Exerzitien lässig im Rhythmus bewegten – solche Rockismen kannten Pink Floyd einst nicht, die standen regungslos im fließenden Licht . . .

Dafür durfte Nick Mason, der bescheidene Gentleman unter den Schlagzeugern, diesmal selbst den Gong betätigen. Das habe ihm Kollege Roger Waters einst bei Pink Floyd nie gegönnt, erzählte er. Nicht nur deshalb war diese Belebung einer, seiner Pop-Vergangenheit für ihn ganz offensichtlich erfreulich. Fürs andächtige Publikum sowieso.

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