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Ed Motta: Groove im Geist von „Magnum“

Experimentieren? Ja, aber lieber mit französischem Käse und Wein: In seiner Musik steht Ed Motta zu seinem stilvollen Epigonentum. In Salzburg fand er auch gute Worte für Frisuren der Siebzigerjahre.
Experimentieren? Ja, aber lieber mit französischem Käse und Wein: In seiner Musik steht Ed Motta zu seinem stilvollen Epigonentum. In Salzburg fand er auch gute Worte für Frisuren der Siebzigerjahre.(c) Jazz & The City/Stefano Martini
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Er sammelt nur Platten, die älter als 35 Jahre sind – und das hört man auch in seiner Musik: Der stilvolle Epigone Ed Motta glänzte in Salzburg beim Festival Jazz & The City.

Epigonales kann auch große Kunst sein. Etwa wenn Ed Motta, Pianist und Sänger aus Rio de Janeiro, zu Werke geht. Er ist nicht nur Musiker, sondern auch obsessiver Hörer. Seine Plattensammlung umfasst mehr als 30.000 Stück aus allen möglichen Genres. Doch eines haben alle seine Platten gemeinsam: Sie sind vor 1983 aufgenommen. Dabei favorisiert er den Sound der späten Siebziger- und frühen Achtzigerjahre. So klingt auch seine Musik, in der Mini-Moogs und Fender Rhodes Pianos nie fehlen dürfen. Als Sänger mischt er Eigentümlichkeiten von Stevie Wonder, Al Jarreau und Michael Franks. Seine Band ist für seine heterogenen Bedürfnisse ideal zusammengestellt: allen voran ein leichtsinniger Bassist aus Paris und ein Gitarrist aus Helsinki, der seinen latenten Brutalismus gerade noch im Zaum hält.

Es begann mit „Sweetest Berry“, einem Soulsong voll verschleppter Beats, verschliffener Orgelsounds und kristallener E-Piano-Klänge, dazu Mottas charismatischer Stimme, die klang, als wäre Donny Hathaway auferstanden. Zu finden ist das Lied auf Mottas Album „Criterion of the Senses“. Wie schon für seine beiden vorigen Werke kochte er dafür mit allerhand Zutaten aus Soul, Brasil, Fusion und Adult Oriented Rock.

Der nicht gerade zierliche Motta, ein Verehrer französischer Küchen- und Kellerkunst, trägt unterm Sakko gern T-Shirts mit Covers seiner Lieblingsalben. An diesem Abend von Ornette Colemans „Dancing in Your Head“ (1977). Doch im Gegensatz zu Coleman betritt Motta in seiner Musik keine unerforschten Territorien. Experimentieren? Ja, aber lieber mit französischem Käse und raren Perlweinen wie dem von Cédric Bouchard, den Motta den „Steely Dan of Champagne“ nennt. Wie seine Helden von der Band Steely Dan verehrt er die Größen des Jazz, stellt deren musikalische Früchte aber in ungewöhnliche Gefäße. Wenn er scattet, dann verarbeitet er keine Saxofonsoli, sondern Rockriffs wie „Iron Man“ von Black Sabbath. Auch den Sarkasmus liebt dieser barocke Mensch: So lobte er den scharfen Scheitel des US-Schauspielers Robert Wagner sowie den Vokuhila David Hasselhoffs. Dies als Auftakt für die Schlussnummer: die kantige Titelmelodie der TV-Serie „Magnum“. Plötzlich wünschten sich wieder viele weiße Socken und Rüscherln am Rocksaum. Und ein bisserl Revolte. Gemütliches Aufmucken. Da blieb man gerne – und verstieß damit wohl gegen das Festivalmotto „Let's get lost“: Intendantin Tina Heine will, dass die Gäste sich treiben lassen.

Bauen nach den Plänen von Sun Ra

Doch wer an diesem Abend der Location – der Szene Salzburg – treu blieb, wurde belohnt. Zunächst von Black Flower, einer jungen belgischen Band, die sich in äthiopische Jazzer à la Mulatu Astatke versetzte. Dann vom französischen Saxofonisten Thomas de Pourquery: Auch er hat aus Mangel an Originalität an einen Helden angedockt: an den Space-Jazzer Sun Ra, dessen Werk hat er mit seiner Kombo Supersonic lange nur nachgespielt. Mittlerweile baut er selbst, aber nach Sun Ras Bauplänen, das kann wild klingen wie „Revolutions“ oder versonnen wie „Let it Come“. Doch am schönsten war es, wenn er den Meister coverte. Etwa mit „We Travel the Spaceways“, das eine seltsam europäische Anmutung bekam.

Sonst war das heurige Jazz & The City, sozusagen in Anlehnung an einen Salzburger Geschäftsnamen, ein famoses „Feinerlei“ an ausgefallenen Orten: von Kit Downes meditativem Orgeln in der Kollegienkirche bis zu Herve Sambs glühenden Gitarrenläufen im Weinarchiv der Blauen Gans. Das große Finale im Mirabellgarten, wo eine Vielzahl an Musikern miteinander improvisieren sollte, enttäuschte aber: Nur ein paar Alphornbläser und eine Frühschoppen-Kombo reizten das Ohr. Die großen Musiker schliefen offenbar zu Mittag noch.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.10.2018)

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